Stationierungsorte für amerikanische Truppen in Polen festgelegt

Der Ort ist ein anderer,...
Quelle: collage tvnva, archiv tvnva, wikipedia

Mit der Unterzeichung des "ABKOMMEN ZWISCHEN DER REGIERUNG DER REPUBLIK POLEN UND DER REGIERUNG DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA ZUR VERSTÄRKTEN VERTEIDIGUNGSZUSAMMENARBEIT" sind nun auch detailliert die zukünftigen Stationierungsorte in Polen bekanntgegeben worden.

Konkret sind folgende Standorte vorgesehen:

Militärischer Komplex in Poznan (Komponenten des US-Force-Kommandos)

  • Befehls- und Kontrollzentrum (C2)
  • Objekt für Informationssystemen und Telefonnetze
  • die Unterkunftskapazität zu erhöhen [Kapazität bis zu 700 Personen].
  • Kantine [Kapazität bis zu 700 Personen]
  • Renovierung des Werkstattgebäudes und des Parkplatzes

Truppenübungsplatz Drawsko Pomorskie (Kampfausbildungszentrum und Unterstützungsplatz)

  1. Militärischer Stationierungsort [Kapazität bis zu 3600 Personen]
  2. Objekt für Informationssysteme und Telefonnetze
  3. Einrichtungen des Gefechtsübungszentrums

Flughafen in Wroctaw (Wroctaw-Strachowice)

(Luftwaffen Be- und Entladestützpunkt der US-Streitkräfte (APOD) - Haupteinsatzbasis)

  1. APOD-Parkfeld [Kapazität 4 x Flugzeuge C-5]
  2. Rollwege zum APOD-Parkfeld
  3. Gefahrgutumschlagplatz / Munitionstransportbereich / Munitionslagerbereich [Unterstützung von 1 x Flugzeug C-5; einschließlich Kapazität bis zu 70.000 Pfund Sprengstoffäquivalent (NEU)]
  4. Objekte des Umschlagshafens (CARGO und Materialumschlag)
  5. Passagier-Terminal
  6. Vorübergehende Unterbringung [Kapazität bis zu 550 Personen]
  7. Anschlussgleis und Verlängerung der Eisenbahnlinie
  8. Modernisierung des Anti-Terrorismussystems und Objektschutzes - APOD­Bereich
  9. Kantine [Kapazität bis zu 450 Personen]
  10. Schlaf- und Wäscheeinrichtungen [Kapazität bis zu 450 Personen]
  11. Medizinische/zahnärztliche Klinik
  12. Sportzentrum
  13. Postamt
  14. Verwaltungsgebäude
  15. Waffenlager
  16. Telekommunikations-Infrastruktur
  17. Fahrzeugreparaturwerkstatt/Parkplatz

Luftwaffenstützpunkt in Grace

(Unbemannte Luftfahrzeuge (RPA) der US-Streitkräfte - Hauptoperationsbasis)

  1. Parkfeld für unbemannte Luftfahrzeuge [Kapazität bis zu 12 unbemannte Luftfahrzeuge]
  1. Hangars für unbemannte Luftfahrzeuge [Kapazität bis zu 12 unbemannte Luftfahrzeuge]
  1. Verbindungsrollwege [zum Parkfeld für unbemannte Luftfahrzeuge und Hangars]
  2. Befehlsstände für unbemannte Luftfahrzeuge
  3. Munitionslager [4,2 Millionen lb. NEU]
  4. Munitionsaufbewahrungsbereich [Kapazität bis zu 30 Tausend Pfund NEU]
  5. Umschlagplatz für Gefahrengut [Unterstützung für 1 x Flugzeug C-5; einschließlich Kapazität bis zu 30.000 lb. NEU]
  6. Vorübergehende Unterbringung [Kapazität bis zu 550 Personen]
  7. Hauptverwaltungsgebäude
  8. Medizinische/zahnärztliche Klinik
  9. Waffenlager
  10. Operationsbasis für das Geschwader der unbemannten Luftfahrzeuge
  11. Postamt
  12. Kantine [Kapazität bis zu 450 Personen]
  13. Übernachtungsmöglichkeit und Wäscherei [Kapazität bis zu 450 Personen]
  14. Modernisierung des Antiterrorschutzes und des Objektschutzes
  15. Bodengestützte Kommunikationsnetze und Absicherung des Datenaustauschs
  16. Telekommunikations-Infrastruktur
  17. Parkplatz

Militärkomplex und Luftwaffenstützpunkt in Powidz

(Stützpunkt der Luftstreitkräfte, Logistikunterstützung, Sondereinsätze und Luftverteidigung der Streitkräfte der USA)

  1. Munitionslager [31 unterirdische Lager - Kapazität von 12,4 Millionen lb. NEU]
  1. Ein großes Kraftstofflager und eine Kraftstoffverteilungsanlage [1,5 Millionen Gallonen Kapazität mit einem Kraftstoffversorgungssystem von 800 Tausend Gallonen]
  2. Objekt für Informationssysteme mcl. Teleinformation
  3. Mobile Air Base System (DABS)-Einrichtungen
  4. Objekt für Einsatzsteuerung und -führung (C2) der Spezialkräfte auf Bataillonskommandoebene
  5. Kasernen - 6 Gebäude [Unterkunft bis zu 2400 Personen]
  6. Kantinen - 2 [Kapazität bis zu 1428 Personen pro Kantine].
  7. Befehlskomplex für die Mission [1 x Kommando auf Brigadeebene, 4 x Kommando auf Bataillonsebene]
  1. Medizinische/zahnärztliche Klinik
  2. Unterstützung für die Absicherung von logistischen Operationen, Werkstatt und Parkplatz
  3. Hubschrauber-Parkfeld, Parkplatz, Waschanlage und Tankungsstelle [Kapazität bis zu 51 Luftfahrzeuge
  4. Hubschrauber-Wartungshanger [Kapazität bis zu 51 Luftfahrzeuge]
  5. Parkplatz und Werkstatt für die Wartung der Hubschrauber
  6. Kommandostand der Fliegerabwehr-Artillerie [Bataillonsebene]

Militärischer Komplex in Lubliniec (Operationsbasis der US-Spezialstreitkräfte)

  1. Operationseinrichtungen der Spezialeinheiten [Kompanieebene]

Militärübungsplatz Zagan und die Militärkomplexe in Torun und Skwierzyna (Basis der Panzerbrigade des Gefechtsverbands der US-Streitkräfte)

  1. Ort der militärischen Stationierung (witosz6w, Trzebiet, Pstrze) [Kapazität bis zu 4800 Personen]
  2. Anschlussgleis und Verlängerung der Eisenbahnlinie (Switoszöw) [3 Abzweigungen, 1 Abstellgleis]
  3. Treibstofflager und Treibstoffverteilungsanlage (Switoszöw) [Kapazität 1 Million Gallonen mit Kraftstoffversorgungssystem für Benzin mit einer Kapazität vom800.000 Gallonen]
  4. Brigadekomplex [1 x Kommando auf Brigadeebene, 7 x Kommandos auf Bataillonsebene]
  5. Kasernen [Kapazität bis zu 4800 Personen]
  6. Kantinen [Kapazität bis zu 4800 Personen]
  7. Operationseinrichtungen für die Kompanie - 37
  8. Einrichtungen zur Reparatur von Landfahrzeugen - 7
  9. Parkeinrichtungen - 7
  10. Lager des Bataillons zur Unterstützung der Brigade
  11. Medizinische/zahnärztliche Klinik
  12. Komplex von Unterstützungseinrichtungen
  13. Einrichtung für Informationssysteme einschließlich Teleinformationsnetze
  14. Trainingsbaracken und Kantineneinrichtung (Torur) [Kapazität bis zu 430 Personen].

Flughafen Krakow-Balice (Balice)

(APOD der Streitkräfte der USA - Zusätzliche Operationsbasis)

  1. Start- und Landebahn [Möglichkeit der Aufnahme von Flugzeugen C-5]
  2. Parkfeld [Möglichkeit für 2 x Flugzeuge C-51
  3. Verbindungsrollwege
  4. Flughafeneinrichtungen (Cargo- und Materialumsclag)
  5. Terminal / Passagierbereich
  6. Vorübergehende Unterbringung [Kapazität bis zu 550 Personen]
  7. Anschlussgleis und Verlängerung der Eisenbahnlinie
  8. Modernisierung des Antiterrorsystems und des Objektschutzes
  9. Bereich für den Umschlag von gefährlichen Materialien / Umschlagplatz / Aufbewahrung von Munition

[Unterstützung für 1 x Flugzeug C-5; einschließlich einer Kapazität bis zu 30.000 lb. NEU, unter Berücksichtigung der Standortbeschränkungen]

Flughafen in Kattowitz (Pyrzowice)

(APOD der Streitkräfte der USA - Zusätzliche Operationsbasis)

  1. Vorfeld [kann 2 x Flugzeuge C-5 aufnehmen]
  2. Verbindungsrollwege
  3. Flughafeneinrichtungen (Cargo- und Materialumschlag)
  4. Passagier-Terminal
  5. vVrübergehende Unterbringung [Kapazität bis zu 550 Personen]
  6. Anschlussgleis und Verlängerung der Eisenbahnlinie
  7. Modernisierung des Antiterrorsystems und des Objektschutzes
  8. Bereich für den Umschlag von gefährlichen Materialien / Umschlagplatz / Aufbewahrung von Munition [Unterstützung für 1 x Flugzeug C-5; einschließlich einer Kapazität bis zu 30.000 lb. NEU]

Flughafen in Mirostawiec

(RPA der US-Streitkräfte - Zusätzliche Operationsbasis)

  1. Unterstände für unbemannte Luftfahrzeuge [Kapazität bis zu 12 unbemannte Luftfahrzeuge]
  1. Befehlsstände für unbemannte Luftfahrzeuge
  2. Modernisierung des Antiterrorsystems und des Objektschutzes
  3. Oberirdische Telekommunikationsnetze und Absicherung des Datenaustauschs
  4. Telekommunikationsinfrastruktur
  5. Munitionsaufbewahrungsstätten [Kapazität bis zu 30.000 Pfund NEU]
  6. Munitionslagerstätten [Kapazität bis zu 200.000 Pfund NEU]
  7. Bereich für den Umschlag von gefährlichen Materialien [Unterstützung für 1 x Flugzeug C-5; einschließlich einer Kapazität bis zu 30.000 lb. NEU]
  1. Vorübergehende Unterbringung [Kapazität bis zu 550 Personen]
  2. Operationseinrichtungen für das unbemannte Luftwaffengeschwader
  3. Waffenlager
  4. Sportzentrum

Luftwaffenstützpunkt in Dblin

(RPA der US-Streitkräfte - Zusätzliche Operationsbasis)

  1. Operationsbasis des Geschwaders unbemannter Luftfahrzeuge
  2. Parkfeld für unbemannte Luftfahrzeuge [Kapazität bis zu 12 unbemannte Luftfahrzeuge]
  1. Parallele und verbindende Rollwege [zu den Parkfeldern und Unterständen* für unbemannte Luftfahrzeuge]
  2. Unterstände für unbemannte Luftfahrzeuge [Kapazität bis zu 12 unbemannte Luftfahrzeuge]
  3. Befehlsstände für unbemannte Luftfahrzeuge
  4. Modernisierung des Antiterrorsystems und des Objektschutzes
  5. Oberirdische Telekommunikationsnetze und Absicherung des Datenaustauschs
  6. Telekommunikationsinfrastruktur
  7. Munitionsaufbewahrungsstätten [Kapazität bis zu 30.000 Pfund NEU]
  8. Munitionslagerstätten [Kapazität bis zu 25.000 lb. NEU, unter Berücksichtigung der Standortbeschränkungen]
  9. Bereich für den Umschlag von gefährlichen Materialien [Unterstützung für 1 x Flugzeug C-5; einschließlich einer Kapazität bis zu 30.000 lb. NEU]
  1. Vorübergehende Unterbringung [Kapazität bis zu 550 Personen]

RPA - remotely piloted airceaft - ferngesteuertes Luftfahrzeug * kann auch Bunker sein.

Quelle: https://www.gov.pl/web/obrona-narodowa/tresc-umowy-zawartej-miedzy-rzadem-rzeczypospolitej-polskiej-a-rzadem-stanow-zjednoczonych-ameryki-o-wzmocnionej-wspolpracy-obronnej

von Redaktion

Strategische Ambitionen

Die Macht am Bosporus
Quelle: tvnva collage, archiv. Copyright tvnva 2020

Die Unterstützung Aserbaidschans im Krieg gegen Armenien ist nur ein Teil der Bemühungen Ankaras, in der Region als potente Mittelmacht zu agieren und eine eigene strategische Agenda zu verfolgen. Seit Jahren operieren türkische Geheimdienste und reguläre Truppen in Nordsyrien. Auch in Libyen ist die Türkei als externer Akteur Teil des Bürgerkrieges. Und die Auseinandersetzung mit dem NATO-Partner Griechenland wegen der Exploration von Erdgasvorkommen im Mittelmeer hat das Potential, zum bewaffneten Konflikt zu eskalieren. Diese Aktivitäten, die im Westen häufig als „neo-osmanische“ Politik bezeichnet werden, sind Ausdruck einer interessengeleiteten Außenpolitik, die sich im Kern nicht von den Ansätzen anderer Akteure in der Region unterscheidet. Wer dazu machtpolitisch in der Lage ist, setzt seine strategischen Vorstellungen im Zweifelsfall auch mit Waffengewalt durch. Die Unterstützung islamistischer Rebellengruppen durch US-Geheimdienste und der völkerrechtswidrige Einsatz von regulären amerikanischen Soldaten in Syrien, die Einmischung von NATO-Kräften zur Entmachtung und Ermordung des libyschen Staatschefs Gaddafi und das fortwährende Engagement Frankreichs in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land sind die Handlungsvorlagen, an denen sich Präsident Erdogan offenkundig orientiert und auf die er sich berufen kann. Insofern ist die westliche Entrüstung über die aktuelle Außenpolitik Ankaras pure Heuchelei. Und die Türkei ist in diesem Zusammenhang in einer komfortablen Position: Die Vereinigten Staaten sind daran interessiert, die Türkei in der NATO zu halten, denn das Land hat – wie in der Zeit des Kalten Krieges – eine Schlüsselstellung an der Südflanke des Bündnisses. Die Türkei stellt zudem mit über 400.000 aktiven Soldaten sowie fast 400.000 Reservisten die zweitstärkste konventionelle Streitmacht innerhalb der NATO. Die relativ modern ausgerüstete Armee könnte im Bündnisfall im Rahmen der nuklearen Teilhabe etwa 50 taktische Kernwaffen von den US-Streitkräften übernehmen und einsetzen. Diese Waffen lagern ungeachtet aller atmosphärischen Störungen zwischen der Türkei und den USA auf dem türkischen US-Stützpunkt Incirlik. Die Europäische Union braucht die Türkei als Partner zur Blockade der Flüchtlingsrouten nach Griechenland und ist daher auf eine Kooperation und das Wohlwollen Ankaras dringend angewiesen. Hinzu kommt, dass die Türkei den Bosporus und damit den Zugang zum Schwarzen Meer kontrolliert. Das wurde 1936 im Vertrag von Montreux festgelegt, der unter anderem die Durchfahrt von Kriegsschiffen durch den Bosporus regelt. Das Abkommen beschränkt die Passagen von Kriegsschiffen für Nichtanrainerstaaten ins Schwarze Meer und verbietet auch das Passieren von Flugzeugträgern aller Staaten durch die Meerenge. Der Vertrag von Montreux ist eines der wenigen Sicherheitsabkommen, das in der Region noch Bestand hat. Weil der Vertrag von Montreux für die Türkei selbst von großer sicherheitspolitischer Bedeutung ist, setzte sie ihn bisher auch gegenüber ihren NATO-Partnern durch. So untersagte die Türkei den USA im Georgien-Konflikt im Jahr 2008 die Durchfahrt einer größeren Anzahl von Kriegsschiffen, weil die erlaubte Gesamttonnage überschritten war. Die Einhaltung dieses Vertrages ist auch für Russland von großer Bedeutung. Und eine eigenständige Außen- und Militärpolitik der Türkei auch gegenüber der NATO ist zumindest teilweise im Interesse Moskaus. Prägnante Beispiele für die zunehmende Kooperation beider Staaten sind die Zusammenarbeit im Energiesektor und die Lieferung russischer S-400-Fliegerabwehrsysteme. Letzteres führte zu massiven Konflikten mit der NATO-Führungsmacht. Allerdings folgt die Türkei in allen außen- und sicherheitspolitischen Belangen grundsätzlich ihrer eigenen Agenda: Als am 16. Februar 2017 in Brüssel bei einer Tagung der NATO-Verteidigungsminister Generalsekretär Jens Stoltenberg ein neues Maßnahmen-Paket zur Verstärkung der NATO-Präsenz im Schwarzen Meer und im Schwarzmeerraum präsentierte, plädierte die türkische Regierung dafür, Einheiten der im Mittelmeer stationierten NATO-SNMG-2-Flotte für Rückversicherungsmaßnahmen in das Schwarze Meer zu verlegen, um einer steigenden russischen Präsenz in der Region entgegenzuwirken.

Allerdings kann und will sich die Türkei wegen der vielfältigen Wirtschaftsbeziehungen und der zumindest punktuellen Zusammenarbeit im Rüstungsgeschäft keine direkte Konfrontation mit Moskau leisten. Auch in Russland ist man erkennbar bemüht, das Verhältnis zur Türkei nicht zu belasten. Präsident Putin erklärte auf einer Pressekonferenz: „Ich weiß nicht, was Präsident Erdogan plant, wie er über das osmanische Erbe denkt. Das müssen Sie ihn fragen. Ich weiß, dass unser gemeinsamer Handel heute mehr als 20 Milliarden Dollar beträgt. Ich weiß, dass die Türkei wirklich daran interessiert ist, diese Zusammenarbeit fortzusetzen. Ich weiß, dass Präsident Erdogan eine unabhängige Außenpolitik verfolgt. ...Die Türkei hat entschieden, dass sie ein modernes Luftverteidigungssystem braucht, und das beste System der Welt heute ist die S-400 aus russischer Produktion. Er sagte es zu und hat es gekauft. Mit einem solchen Partner arbeitet es nicht bloß angenehm zusammen, sondern auch zuverlässig.“ Man ist sowohl in Russland als auch in Ankara daran interessiert, punktuelle Interessenkonflikte wie in Syrien und Libyen so zu moderieren, dass die generelle Zusammenarbeit nicht beschädigt wird. Das dürfte auch für die aktuellen Verstimmungen wegen der Kämpfe um Berg-Karabach und wegen der russischen Luftangriffe auf von der Türkei unterstützte islamistische Rebellengruppen in der nordsyrischen Provinz Idlib gelten. Momentan profitieren beide Partner von der Kooperation. Vor allem die Türkei ist dadurch in der Lage, die NATO und die EU unter Druck zu setzen, ihren Wert als unverzichtbarer und zu umwerbender Bündnispartner herauszustellen und politische Zugeständnisse zu erzwingen. Dass man sich im Westen über diese Politik erregt und Ankara Erpressung vorwirft, ändert nichts daran, dass die Türkei im Grunde lediglich pragmatisch Handlungsspielräume nutzt, die durch die Konfrontation zwischen dem Westen und Russland entstanden sind.

 

Quellen:

Rudolph, R., Markus, U.: Die Rettung der Krim, Berlin 2017

https://www.anti-spiegel.ru/2020/valdai-konferenz-putin-im-o-ton-ueber-erdogan-und-dessen-rolle-im-krieg-um-bergkarabach

von Redaktion

Zukunftskonzepte für das deutsche Heer

Quelle: Collage tvnva, Archiv

 

Seit einiger Zeit erscheinen in diversen militärpolitischen Fachmedien Beiträge, in denen die Autoren intensiv über den technologischen Wandel im Wehrtechniksegment und die daraus erwachsenden Herausforderungen für die Gefechtsführung von Heereseinheiten diskutieren. Diese Publikationen sind in der Regel Reflex entsprechender Überlegungen in Planungs- und Führungsstrukturen der Bundeswehr. Was in diesem Zusammenhang z.B. unter dem Stichwort „Hyperwar“ präsentiert wird, ist indes nicht nur eine Antizipation zukünftiger taktischer Einsatzkonzepte, sondern hätte auch Konsequenzen für militärische Entscheidungsprozesse auf operativer und strategischer Ebene. Es geht bei diesen konzeptionellen Überlegungen letztlich um Szenarios zukünftiger Kriege in Europa, mithin um die Chancen der NATO, sich in einem konventionellen Konflikt gegen einen „militärisch gleichwertigen“ Gegner durchzusetzen.

Das Mittel der Wahl ist dabei der massive Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). Drohnen und bodengestützte Roboter sollen in Schwärmen vernetzt werden. So sollen in einem künftigen Krieg spezialisierte, interagierende Automaten den Gegner attackieren. Aufklärungsdrohnen, Drohnen zur Abwehr gegnerischer Drohnen, Kommunikationsdrohnen und Angriffsdrohnen werden vernetzt und können in mehreren kurz aufeinanderfolgenden Wellen in das Gefecht geführt werden. Dabei können die Schwärme ihre Einsatztaktik an veränderte Lagen auf dem Gefechtsfeld anpassen. „Hyperwar kombiniert die klassische Gefechtsführung mit Cyber-Angriffen und Angriffen durch große Mengen (teil-)autonom gesteuerter Systeme.“ Daraus resultiert nach Meinung von Bundewehrexperten zwar keine grundsätzliche Veränderung der Struktur von Gefechten, doch die Dynamik der Kampfhandlungen wird sich völlig anders als in bisherigen Kriegen entwickeln. Die Aufklärung und Bewertung gegnerischer Kräfte und Mittel, die Entscheidungsfindung, Zielauswahl, -markierung und Zielbekämpfung würden extrem beschleunigt und die Vernichtungseffektivität damit erhöht. Gefechtshandlungen würden zudem weiträumiger geführt werden. „Truppenführer, die im Gefecht einer solchen Situation ausgesetzt sind, müssen unmittelbare, entweder intuitive oder KI-gestützte Entscheidungen treffen.“ Die Strategen setzen auf den Zeitfaktor im Gefecht – mit dem Ziel, die Initiative an sich zu reißen. Diese Überlegungen haben mehr als nur taktische Bedeutung – sie sind die Blaupause für einen mit teilautonomen Kampfmitteln geführten und extrem beschleunigten Bewegungskrieg. „Die moderne Gefechtsführung ist...ein zunehmend zeitkritischer Prozess. Wer ständig schneller ist als sein Gegner, wird das Gefecht beherrschen und letztendlich gewinnen.“ Dabei wird einkalkuliert, dass solche teilautonomen Drohnenschwärme auch gegen kritische Infrastrukturen (Energie- und Wasserversorgung, IT-Systeme) des Gegners eingesetzt werden könnten. Das Ergebnis wäre eine weitere Entgrenzung des Krieges.

An entsprechenden Projekten zur Sicherung der „Schwarmfähigkeit“ automatisierter Drohnen und Roboter arbeiten derzeit etliche Rüstungsunternehmen. Während man bei luftgestützten Systemen bereits gut vorangekommen ist, gibt es bei der Entwicklung sogenannter bodenbasierter Plattformen vor allem mit der „Navigation in durchschnittenem Gelände und in komplexen urbanen Räumen“ noch erhebliche Probleme. Hier rechnet man mit brauchbaren Lösungen in etwa 10 bis 15 Jahren.

Derzeit wird auch an der Weiterentwicklung bestehender Kampftechnik zu teilautonomen Systemen gearbeitet. Durch die Automatisierung der Sensorik für die Zielauswahl und den Feuerkampf soll der Kampfwert bereits im Truppendienst stehender Kampfpanzer, Schützenpanzer, Artilleriesysteme und Hubschrauber erhöht werden. Mittelfristig sollen bemannte Führungsfahrzeuge – vernetzt mit spezialisierten Robotern – im Gefecht eingesetzt werden. Künftig könnten so etwa teilautonome Drohnenschwärme gegen Kampfpanzer in das Gefecht geführt werden. Sogenannte Kamikaze-Drohnen mit Kontaktsprengmitteln würden den passiven Schutz der Panzer eliminieren, andere die aktiven Schutzsysteme neutralisieren, um schließlich Drohnen mit Panzerabwehrwaffen Angriffsmöglichkeiten zu schaffen. Solche Schwärme könnten in mehreren Wellen angreifen und die gegnerischen Abwehrmöglichkeiten überfordern. Drohnenschwärme seien außerdem kostengünstiger als die Beschaffung klassischer Kampfpanzer.

Voraussetzung für die Umsetzung solcher Überlegungen ist allerdings, dass die Logistik für den Einsatz teilautonomer Systeme unter Gefechtsbedingungen sichergestellt werden kann. Die Energieversorgung und die Sicherung der Einsatzsteuerung müssten auch unter Einwirkung durch den Gegner funktionieren. Und hier sind erhebliche Zweifel angebracht. Denn ein solcher „militärisch gleichwertiger“ Gegner wird der am grünen Tisch entworfenen Regie der Bundeswehrplaner kaum folgen. Ein militärisch gleichwertiger Gegner wird ähnliche technische Möglichkeiten wie die NATO haben und er wird Mittel und Wege finden, die KI-Technik eines Angreifers durch Maßnahmen der elektronischen Kampfführung auszuschalten. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass alle derzeit in Entwicklung und Erprobung stehenden Funktionsmuster (teil-)autonomer Drohnen oder Kampfroboter von satellitengestützten Navigationssystemen abhängig sind. Ein technologisch potenter Gegner wird also im Kriegsfall nicht nur die bodengestützten IT-Ressourcen der NATO-Kräfte zur Gefechtsführung blockieren, sondern die Navigations- und Aufklärungssatelliten des Aggressors zerstören. Damit wäre ein Angreifer blind, taub und handlungsunfähig. Die realistische Einschätzung der militärtechnologischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten potentieller Kriegsgegner war indes noch nie eine Stärke deutscher Strategen.

 

Quellen:

Doll, T., Beyer, U., Schiller, T.: Hyperwar. Neue Herausforderungen für die Heeresentwicklung. In: Europäische Sicherheit & Technik. 09/2019, S. 78ff

Frank, D.: Die Drohnenschwärme künftiger Gefechte. Hardthöhen-Kurier. 01/2020, S 94ff

von Redaktion

Großbritannien – Zentrum der psychologischen Kriegsführung

Die britische Spur

Zwar ist das britische Empire längst Geschichte, doch das Establishment des Landes agiert immer noch so, als sei Großbritannien ein geopolitisch bedeutender Machtfaktor, der das naturgegebene Recht hat, sich in die Belange anderer Staaten einzumischen. An Versuchen, durch eine traditionelle Politik des „Teile und herrsche“ britische Interessen weltweit und in Europa zu sichern, mangelte es in der jüngeren Vergangenheit nicht. Russland und die UdSSR waren dabei traditionell immer im Fokus britischer Außen- und Militärpolitik. Und weil das militärische Gewicht Großbritanniens für eine singuläre Machtprojektion mittlerweile nicht mehr ausreicht, vielmehr das Land ohne den Schulterschluss mit den USA militärisch nur eingeschränkt handlungsfähig ist, bedarf es anderer Methoden, um geopolitisch im Spiel zu bleiben. Nicht als Spielführer, sondern als getreuer Schildknappe der Weltmacht USA.

Besonders tun sich dabei die Geheimdienste Ihrer Majestät hervor. Abgesehen vom Geheimdienstverbund der sogenannten Five Eyes der Nachrichtendienste der USA, Australiens, Neuseelands, Kanadas und Großbritanniens, ist London auf dem Feld der Cyber-Operationen gut aufgestellt. Der britische Dienst Government Communications Headquarters (GCHQ) verschaffte sich z.B. jahrelang im Rahmen seines TEMPORA-Programms Zugang zu Glasfaserkabeln verschiedener Telekommunikationsunternehmen und Internetanbieter, deren Identität allerdings geheim gehalten wurde, um massive Imageschäden und politische Verwerfungen zu vermeiden. Das mag ein Indikator für den Umfang dieser Operationen sein. Doch damit nicht genug: Seit Jahren werden im Rahmen der nationalen Cyber Security Strategie große Budgets für die Cyber Defense Operations Group bereitgestellt. So werden Kapazitäten für den Krieg im Internet aufgebaut.

Doch offenbar sind britische Nachrichtendienste auch im traditionellen Infiltrations- und Desinformationsgeschäft unterwegs. Die im Westen hochgelobte und auch von der deutschen Regierung finanziell unterstützte Organisation der syrischen Weißhelme war von einem britischen Nachrichtendienstler gegründet worden und wird von London aus geführt. Die Truppe war nie die politisch unabhängige und humanitäre Nichtregierungsorganisation als die sie in westlichen Medien präsentiert wurde, sondern Instrument zur Organisation von Desinformationskampagnen gegen Russland und seinen syrischen Verbündeten. Markenzeichen dieser Gruppierung sind Falschinformationen über den vermeintlichen Einsatz chemischer Kampfstoffe gegen Zivilisten durch die Syrische Armee. Diese mit großer Anteilnahme westlicher Medien angeprangerten Vorfälle erwiesen sich regelmäßig als gezielte Inszenierungen. Teilweise publizierten russische Stellen bereits im Vorfeld solcher false-flag-Operationen, wann und wo sie stattfinden würden. Der vermeintliche Einsatz chemischer Kampfstoffe sichert zuverlässig die Aufmerksamkeit des Publikums im Westen und macht den beschuldigten Staat zum Angeklagten, der aus der internationalen Gemeinschaft ausgestoßen wird. Stellt sich dann heraus, dass die präsentierten Beweise präpariert wurden, ignoriert man das und die Medien verwenden in ihrer Argumentation weiterhin einfache Kausalketten, die auf Falschinformationen beruhen. In der Wahrnehmung der Bevölkerung wird ein Erklärungsmodell verankert, das zwar von einer falschen Grundannahme ausgeht, aber nicht mehr hinterfragt wird. So entstehen Feindbilder.

In alter imperialer Tradition ist es eine Obzession britische Politiker und Nachrichtendienstler, in Europa für machtsichernde Zwietracht zu sorgen. Diese Tendenz wird sich mit der bevorstehende endgültigen Trennung Großbitanniens von der Europäischen Union noch verstärken. In diesem Zusammenhang ist die antirussische Stoßrichtung unübersehbar. Eine enge Kooperation der westeuropäischen Staaten und insbesondere Deutschlands mit Russland würde einen Wirtschaftsraum schaffen, in dem der Inselstaat machtpolitisch und wirtschaftlich keine Rolle mehr spielen könnte. Das britische Interesse, den Kontinent politisch zu spalten und Russland zu neutralisieren, trifft auf ähnliche geopolitische Interessenlagen der Vereinigten Staaten. Versuche der Schwächung, wenn möglich, Zerschlagung Russlands gehen einher mit dem Bemühen, die Europäische Union als konkurrierende Wirtschaftsmacht einzuhegen und von der Durchsetzung eigener Machtinteressen abzuhalten. Ein zerstrittenes, handlungsunfähiges Westeuropa und ein schwaches, politisch von außen lenkbares Russland sind zudem optimale Voraussetzungen für die von den USA forcierte Bekämpfung Chinas.

Und in dieser geopolitischen Konstellation finden verdeckte Operationen britischer Dienste gegen Russland ihre Erklärung. Die Skripal-Affäre, bei der eine angebliche Vergiftung des ehemaligen Doppelagenten und seiner Tochter durch russische Dienste nie schlüssig bewiesen werden konnte, weist ebenso die Handschrift britischer Desinformationsspezialisten auf, wie der derzeit medial am Kochen gehaltene Fall Navalny. Hier zeigen sich neuerdings interessante Spuren, die nach London führen. So schreibt der Autor Thomas Röper, dass sich im Umfeld Navalnys bis zur Notlandung seiner Maschine im sibirischen Omsk am 20. August Maria Pewtschich befunden habe, die zwei Tage später nach Deutschland ausreiste. Schon allein dieser Sachverhalt gibt Rätsel auf, weil sie als russische Staatsbürgerin wegen der Corona-bedingten Einreisebeschränkungen nur mit einer Sandergenehmigung in die Bundesrepublik hätte einreisen können. Die Dame ist nach Informationen russischer Quellen 33 Jahre alt, lebt in London und war 2009 Mitarbeiterin eines britischen Abgeordneten. Außerdem ist sie seit dieser Zeit Mitarbeiterin von Navalnys Anti-Korruptionsstiftung. Über Maria Pewtschich gibt es diverse Querverbindungen zu verschiedenen Förderern Navalnys in England, wie die russischen Oligarchen Chodorkowski, Browder, Aschkurov. Die bislang bekannten Details lesen sich in der Gesamtschau wie ein Thriller.

Wer auch immer mit welcher Absicht Navalny zeitweise aus dem politischen Spiel genommen hat – soviel scheint sicher: Eine solche Operation erfordert umfangreiche logistische Vorbereitung, die nur durch eine professionelle Struktur zu leisten ist. Zweitens ist die enge Zusammenarbeit von Behörden mehrerer westlicher Staaten notwendig gewesen. Drittens folgt die Regie dem in Syrien und Großbritannien erprobten Muster eines vermeintlichen Chemiewaffeneinsatzes, der dem Gegner angelastet wird. Viertens deuten die Abläufe bei der politischen und medialen Vermarktung des Falles Navalny auf eine konzertierte kommunikationspolitische Operation mehrerer westlicher Interessengruppen und Nachrichtendienste hin.

Und das Ziel scheint erreicht: Das antirussische Feindbild konnte gefestigt werden, westeuropäische Staaten üben jenseits sonstiger Animositäten und Meinungsverschiedenheiten den moralischen Schulterschluss, die Beziehungen zwischen der EU und Russland sind auf dem Tiefpunkt, die NATO findet für ihre antirussischen Stoßrichtung Bestätigung und Sinnstiftung und deutsche Transatlantiker können endlich versuchen, das von den USA bekämpfte Nord-Stream-2 Projekt scheitern zu lassen. Die Vorgänge erweisen sich damit als Teil der langfristigen psychologischen Vorbereitung der Bevölkerung Westeuropas auf einen Krieg gegen Russland.

Quelle: https://www.anti-spiegel.ru/2020/12.9.2020.

von Redaktion

Geistige Aufrüstung

Es gehört mittlerweile zum Ritual westlicher Außen- und Sicherheitspolitiker, die Notwendigkeit des Dialogs mit Russland trotz aller aktuellen Spannungen zu betonen. Nur müsse Russland dafür die Voraussetzungen schaffen, indem es seine „expansive“ Politik beendet. Und in der Regel folgt dann das Sündenregister: Die „Annexion“ der Krim, die Unterstützung für die ostukrainischen Volksrepubliken, die angeblichen Vorbereitungen eines hybriden Krieges gegen die baltischen Staaten und Polen. Und auch das russische militärische Engagement in Syrien sorgt bei westlichen Politikern regelmäßig für demonstrative Empörung. Es ist das gebetsmühlenartig über alle Medien verbreitete Argumentationsmuster: Russland ist aggressiv, Präsident Putin will „den Westen“ destabilisieren, nur die NATO ist in der Lage, durch Abschreckung dem russischen Expansionsdrang Einhalt zu gebieten. Dieser kommunikationspolitische Ansatz erweist sich als durchaus praktikabel, was aber nichts daran ändert, dass er auf dem Verschweigen von Fakten beruht. Dass sich die NATO – entgegen früheren Zusagen – nach Osteuropa bis an Russlands Grenzen ausgedehnt hat, wird ebenso verschwiegen wie die Tatsache, dass vor allem US-Politiker bereits im Jahr 2008 den damaligen georgischen Präsidenten ermunterten, einen Krieg gegen Russland vom Zaun zu brechen. Auch dass der Staatsstreich in der Ukraine mit fünf Milliarden US-Dollar vorbereitet wurde, um das Land zum potentiellen Aufmarschgebiet gegen Russland machen zu können, kommt in der derzeitigen Medienberichterstattung nicht vor. Die historischen Hintergründe für die Sezession der Krim spielen für die Befürworter einer harten politischen Gangart gegen Russland ebenfalls keine Rolle.

Die aufgeregte Rhetorik hat einen guten Grund: Ohne von der Bevölkerung akzeptiertes Feindbild und ohne ein latentes Bedrohungsgefühl ist die Aufrüstung der NATO und insbesondere der Bundeswehr nicht zu begründen. Und so sprechen auch Entscheidungsträger der Bundeswehr mittlerweile ganz offen über einen möglichen Krieg in Osteuropa, auf den sich die Truppe vorbereiten müsse. Generalleutnant Bernd Schütt etwa, Abteilungsleiter Strategie und Einsatz im Bundesministerium der Verteidigung, erklärt: „Landesverteidigung ist unverändert immer im Rahmen des NATO-Bündnisses zu denken. Neu für uns ist, dass wir in einem solchen Fall kein direkter ‚Frontstaat‘ mehr sein werden. Vielmehr wird die Bundesrepublik Deutschland einerseits eigene Truppen zur Verteidigung an die Bündnisgrenzen zu entsenden haben und andererseits im Herzen Europas als logistische Drehscheibe des Bündnisses agieren müssen.“/1/

Und die NATO bereitet sich unter aktiver Beteiligung der Bundeswehr auf den Kriegsfall in Osteuropa vor. Von Februar bis Mai 2020 findet die Truppenübung „Defender Europe 20“ statt. 20.00 US-Soldaten, eine komplette US-Kampfdivision, werden aus den USA nach Europa verlegt. 14 Flughäfen und Seehäfen in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Deutschland sind für die Entladung von Personal und Material vorgesehen. Von dort geht es dann in langen Konvois Richtung Polen und Baltikum. Insgesamt 37.000 Mann mit Kampftechnik werden unterwegs sein, davon 26.000 US-Soldaten. 4.000 Km Schienen und Straßen in das Aufmarschgebiet werden genutzt. Die Bundeswehr (Streitkräftebasis) übernimmt die logistische Sicherstellung. /2/ Es ist ein Szenario, das an die Zeit des Kalten Krieges erinnert.

Auch hinsichtlich der sonstigen materiellen Kriegsvorbereitung geht es erkennbar voran. Wichtige Weichenstellungen für die Beschaffung von Kampfpanzern, Schützenpanzern und sonstigen Waffensystemen wurden im Jahr 2019 vorgenommen. So will die Bundeswehr in zehn Jahren 328 Kampfpanzer Leopard 2 in einem Krieg einsetzen können. Der Gegner ist Russland. Die Zeitschrift Loyal liefert in ihrer Dezemberausgabe das gängige Rechtfertigungsmuster: „Seit Russlands Präsident Putin im März 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektierte, plant die NATO wieder für den Bündnisfall. Auch Deutschland sieht sich in der Pflicht und will bis 2032 drei voll ausgestattete Heeresdivisionen aufstellen, die den baltischen Bündnispartnern gegen die Russen beistehen könnten. Das wären zehntausende deutsche Soldaten, die einem Gegner gegenüberstünden, der etwa gleich ausgerüstet ist: mit Panzern, Raketen, Artillerie, Minensperren.“ /3/

Und in einer Pressemitteilung des Bundesministeriums der Verteidigung findet sich die Kernaussage: „Die Bundeswehr wächst weiter“. So werden acht Material- und Munitionslager erhalten, die nach früheren Planungen aufgegeben werden sollten. Zwölf Liegenschaften/Kasernen, von denen sich die Bundeswehr trennen wollte, werden vorerst im Bestand bleiben. Vorgesehen ist außerdem die Aufstellung eines „Kommandos Hubschrauber“ in Bückeburg, die Stationierung von fünf neuen Korvetten in Rostock und des Unterstützungsgeschwaders in Kiel für Einsätze im Operationsraum Ostsee. In Burg wird der Stab des neu aufgestellten Logistikregi-ments 1 seine Arbeit aufnehmen. Zugeordnet werden die Logistikbataillone 161 und 163 (Delmenhorst) sowie die Logistikbataillone 171 (Burg) und 172 (Beelitz). Das Regiment ist für die Absicherung der NATO-Transporte vorgesehen und soll seine volle Einsatzfähigkeit im Jahr 2023 erreichen. In der Strausberger Barnim-Kaserne erfolgt die Aufstellung des teilaktiven ABC-Abwehrregiments 1, das die „Erhöhung der ABC-Abwehrfähigkeit“ in Ostdeutschland gewährleisten soll. Erste Teile des Aufstellungsstabes werden 2020 in Strausberg stationiert, die volle Einsatzfähigkeit ist für 2027 vorgesehen. /4/

Die Luftwaffe hat derweil den Eurofighter als mehrrollenfähiges Waffensystem modifiziert. Die Maschine kann nun sowohl als Abfangjäger als auch als Jagdbomber zum Einsatz kommen. Möglich wurde das durch Integration der gelenkten Abwurf-munition GBU-48 (Guided Bomb Unit 48). Es ist eine Präzisionsbombe für die Bekämpfung von Bodenzielen – und damit auch für die Unterstützung von Bodentruppen. /5/

Wie weit die Überlegungen über einen möglichen Krieg gegen Russland bereits gediehen sind und wie intensiv versucht wird, die Bundeswehrsoldaten mental auf einen solchen Waffengang vorzubereiten, zeigt ein Bericht der Zeitschrift Loyal.

Das Magazin beruft sich auf Generalarzt Dr. Bruno Most, Stellvertretender Kommandeur im Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung in Weißenfels. Dieser rechnet in einem zukünftigen Krieg gegen russische Streitkräfte mit einer Ausfallquote von vier Prozent Toten und Verwundeten pro Brigade und Tag. Das sind keine unverbindlichen Gedankenspiele, sondern Teil einer möglichen Einsatz-planung. „Die drei Divisionen des Heeres sollen in zwölf Jahren aus acht bis neun Kampfbrigaden bestehen. Einer Brigade wiederum gehören im Schnitt 5.000 Soldaten an. Wenn nur die Hälfte der Brigaden an der Front im Osten eingesetzt würde, wären das 22.500 Soldaten: Panzertruppen, Grenadiere, Fallschirmjäger, Aufklärer, Pioniere, Artilleristen. Vier Prozent von 22.500 Soldaten ergibt 900. ...In einem Krieg wäre mit 900 gefallenen und verwundeten Soldaten zu rechnen. An einem Tag.“ /6/

Die Rechnung hat nur einen entscheidenden Denkfehler: Sie unterstellt, dass ein solcher Krieg hinsichtlich des eingesetzten Waffenspektrums und seiner territorialen Ausdehnung begrenzbar wäre, dass also die russischen Streitkräfte in einem solchen Konflikt der Regie der NATO folgen würden. Für diese Annahme gibt es allerdings keinen belastbaren Beleg. Diese Vorstellung von NATO-Strategen war übrigens bereits in den 80er Jahren völlig realitätsfern (Strategie der flexiblen Reaktion). Dass man sich nun in NATO-Stäben wieder auf die damaligen strategischen und operativ-taktischen Konzepte besinnt, macht sie nicht realitätsbezogener. Ein Krieg an Russlands Grenzen würde sich kaum auf konventionelle Waffen beschränken lassen und wenn er ausgebrochen wäre, würde auch das Territorium der Bundesrepublik zum Zielgebiet gegnerischer Raketenschläge und zum Schlachtfeld werden – allein wegen dessen Bedeutung für die NATO-Logistik. Zu empfehlen ist ein Blick in die aktuell gültige russische Militärdoktrin. Diese Lektüre wäre sicher auch für manchen Journalisten hilfreich, der mit leichter Feder über einen neuen Krieg im Osten fabuliert. Die Unterschätzung des potentiellen Gegners ist genauso gefährlich wie Wunschdenken hinsichtlich der eigenen militärischen Fähigkeiten. Und es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass NVA-Planer in der Zeit des Kalten Krieges für die ersten zwei bis drei Kriegstage mit Ausfallquoten von etwa 30 Prozent bei den Kampfdivisionen der ersten strategischen Staffel rechneten. Diese Annahmen dürften auch für einen Krieg der NATO gegen Russland gelten, denn es wäre von russischer Seite ein Krieg, der existenzgefährdend für den russischen Staat ist. Daran würden sich die Intensität der Kampfhandlungen und das zum Einsatz kommende Waffen-spektrum orientieren. Wer also glaubt, dass die Bundesrepublik Deutschland im Kriegsfall „kein Frontstaat“ wäre und sich der Krieg mit allen seinen Folgen weit im Osten abspielen würde, unterliegt entweder einem großen strategischen Irrtum oder redet sich und anderen bewusst die damit verbundenen Gefahren klein. Schon der chinesische Stratege und Militärtheoretiker Ssund-ds’ mahnte: „...kennst du den Gegner und kennst du dich, so magst du hundert Schlachten schlagen, ohne eine Gefahr zu fürchten; kennst du ihn, aber nicht dich selbst, so wirst du einmal siegen und ein anderes Mal eine Niederlage erleiden; kennst du weder dich noch ihn, so wirst du in jeder Schlacht geschlagen werden.“ /7/

 

/1/ Quelle: Die Bundeswehr 12/19, S. 8
/2/ Die Bundeswehr 12/19, S. 61
/3/ Loyal 12/19, S. 12
/4/ Pressemitteilung des BMVg, Dezember 2019
/5/ Schnell, G.: Die Luft/Boden-Bewaffnung des Eurofighter. In: CPM Forum für Rüstung, Streitkräfte und Sicherheit 3/2018, S. 22ff
/6/ Loyal 12/19, S. 12
/7/ Ssund-ds´: Traktat über die Kriegskunst. Berlin 1957, S. 64

von Redaktion

Soziologische und psychologische Aspekte der Kriegvorbereitung

Soziologische und psychologische Aspekte der Kriegsvorbereitung

Krieg ist der ultimative Endpunkt eines eskalierten politischen Konflikts und zugleich Instrument seiner gewaltsamen Lösung. Angriffskriege sind laut UN-Charta völker-rechtlich nicht zulässig. Doch sie werden nach wie vor zur Durchsetzung machtpoli-tischer und wirtschaftlicher Interessen vorbereitet und geführt. Um eine moderne Gesellschaft mental auf einen Angriffskrieg vorzubereiten, müssen in einem länger-fristig angelegten politischen und psychologischen Prozess die Bürger von der Legitimität einer solchen Gewaltanwendung überzeugt werden. Dabei sind verschiedene Handlungsfelder zu unterscheiden:

  1. Handlungsfeld: Konditionierung der Eliten

Der Selektions- und Ausbildungsprozess zur Ergänzung politisch relevanter Funktionseliten muss ein weitgehend einheitliches „Gut-Böse-Narrativ“ zur Grundlage haben. Entscheidungsträger in Politik, Militär, Verwaltung, Rechtspflege, vorpoli-tischen Organisationen und Medien sollen von der Legitimität und Einzigartigkeit des eigenen Gesellschaftsmodells überzeugt sein. Andere gesellschaftliche und politische Ordnungen gelten in der Konsequenz dieses Wahrnehmungsmusters nur in dem Maße als zivilisatorisch akzeptabel, in dem sie dem eigenen, als einzig legitim angesehenen Gesellschaftsmodell entsprechen. Vor diesem Hintergrund können im Sozialisationsprozess politische Positionen und Bewertungsmaßstäbe verinnerlicht werden, die für das Individuum und soziale Gruppen identitätsbestimmend sind. Solche verinnerlichten Orientierungen wirken latent und sind jederzeit als Legitimationshintergrund staatlicher militärischer Gewaltanwendung aktivierbar.

Die dauerhafte politische Orientierung der Funktionseliten im Alltag erfolgt über soziale Primärgruppen sowie durch organisatorische und mediale Netzwerke (Beispiel: Atlantikbrücke, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik etc.). Sie stellen durch eine Vielzahl institutioneller und informeller Beziehungen und die damit gegebenen stabilen Kommunikationskontakte sicher, dass die verinnerlichten politi-schen Erklärungs- und Deutungsmuster immer wieder bestätigt werden. Durch die statussichernde Einbindung in verschiedene gesellschaftliche und berufliche Hierarchien erfolgt eine selbstreferenzielle Verfestigung vorgeprägter politischer Paradigmen. Abweichende Meinungen und Darstellungen werden a priori als gegnerische Propaganda oder sogenannte Verschwörungstheorien angesehen. Sie werden als Versuche des potentiellen Kriegsgegners bewertet, die eigene Wehr-haftigkeit zu schwächen.

Andersdenkende Mitglieder der Funktionseliten, innenpolitische Gegner und soziale Gruppen mit abweichenden politischen Vorstellungen werden verächtlich gemacht, sozial ausgegrenzt und nach Möglichkeit von politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Sie gelten Politikern und Mainstreammedien als „nützliche Idioten“ des potentiellen Kriegsgegners, als Verräter, gegen die die Anwendung medialer, politischer und strafrechtlicher Gewalt legitim ist (Beispiel: „Russlandversteher“ Krone-Schmalz, Platzek, Kujat). Mit diesen negativen Sanktionen sind zugleich materielle und soziale Korrumpierungsversuche verbunden, die sicherstellen sollen, dass die systeminterne politische Opposition als mehrheitsfähiger Störfaktor neutrali-siert und in den Prozess der Kriegsvorbereitung – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit – integriert werden kann (Beispiel: B90/Grüne, Teile der Linken).

  1. Handlungsfeld: Außenpolitische Konfrontation

Der potentieller Kriegsgegner wird systematisch mit Forderungen konfrontiert, deren Erfüllung dessen staatliche Interessen und seine nationale Identität infrage stellen würde (Beispiel: Forderung an Russland, die Krim aufzugeben). Die Ablehnung dieser Forderungen wird als konfrontatives Verhalten interpretiert und zieht gegebenenfalls „Bestrafungen“ in Form von Sanktionen, Embargos und Blockaden nach sich. So wird für die eigene Öffentlichkeit ein Feindbild generiert und der Versuch unternommen, den potentiellen Gegner innenpolitisch zu destabilisieren.

Politische Gesprächskontakte zum potentiellen Gegner werden reduziert und von dessen Wohlverhalten abhängig gemacht. Damit verbunden ist der Ausschluss aus internationalen Gremien und Gesprächsformaten (Beispiel: Ausschluss Russlands aus dem G-8-Format). Es soll der Eindruck vermittelt werden, „die Weltgemeinschaft“ würde den potentiellen Gegner ächten. Ziel ist vor allem die außenpolitische Isolation und Stigmatisierung des Gegners sowie die Schwächung seiner Beziehungen zu strategischen Partnern.

Wirtschaftsbeziehungen werden erschwert, Investitionsmöglichkeiten und Finanz-transfers blockiert. Das wird verbunden mit einer Ausdünnung kultureller und sonstiger zivilgesellschaftlicher Kontakte (Jugendaustausch, Städtepartnerschaften, Tourismus, Sport). Der potentielle Gegner wird sukzessive als fremd, gesichtslos, bedrohlich wahrgenommen (Beispiele: Krim-Sanktionen im Tourismus-Bereich, Doping-Kampagne).

Kontinuierlich werden außenpolitische Konfliktfelder geschaffen, deren Lösung nur konfrontativ möglich zu sein scheint. Es dominiert in den bilateralen Beziehungen zum Gegner eine „Sieger-Verlierer-Mentalität“, die keinen Raum für Kompromisse zu lassen scheint und zur Bildung gegnerischer Allianzen im Rahmen internationaler Organisationen und Entscheidungsgremien führt (Beispiele: Ostukraine-Konflikt, Venezuela, Kuba, Syrien).

  1. Handlungsfeld: Manipulation der Öffentlichkeit

Die Kultur und Lebensweise des potentiellen Kriegsgegners wird systematisch als fremd und daher inakzeptabel abgewertet. Vorurteile werden reaktiviert und verstärkt Beispiele: „Autokrat Putin“, „Russlands Expansionsstreben“). Zugleich wird der eigenen Bevölkerung das Gefühl der Überlegenheit vermittelt (Beispiel: „Das wirt-schaftlich marode Russland“, „Die Innovationsunfähigkeit der Russen“). Das hat den Nebeneffekt, dass das Hinterfragen des eigenen Gesellschaftsmodells und der außen- und militärpolitischen Prämissen als naiv und unpatriotisch dargestellt werden kann. Kritiker werden so unter Generalverdacht gestellt, die Geschäfte des Gegners zu besorgen.

Der potentielle Gegner wird tendenziell entmenschlicht und ent-individualisiert. Er erscheint in den Medien als amorphe, bedrohliche Masse, der pauschal negative Eigenschaften als quasi ethnische oder rassische Merkmale zugeschrieben werden (Beispiele: „Das Imperium sammelt russische Erde ein“ „Hybrider Krieg gegen das Baltikum“). Analog zu den etablierten Verfahren der Produktwerbung werden immer gleiche Inhalte in verschiedener Form über möglichst viele Kommunikationskanäle gestreut. Die hohe Anzahl der Kommunikationskontakte soll die Wiedererkennbarkeit der eingesetzten Narrative und deren Verinnerlichung ermöglichen. Die negative Darstellung des potentiellen Gegners erfolgt daher nicht eindimensional unter Nutzung politischer Inhalte, sondern bezieht auch Themenfelder wie Kultur, Sport, Wirtschaft, Lebensweise mit ein. Es ist die kommunikationspolitisch betriebene Demontage des Gegners in der Öffentlichkeit.

Damit gelten für die Bewertung und Behandlung des potentiellen Gegners keine zivilisatorischen oder völkerrechtlichen Standards mehr. Politiker, Wirtschaftsführer, Militärs und der einzelne Bürger werden de facto aus dem moralischen Grund-konsens der (westlichen) Zivilisation ausgeschlossen. Ihnen ist alles zuzutrauen und ihnen gegenüber ist alles erlaubt. Jeder Angriff gegen sie ist legitim und straffrei. Das eigene Tun wird mit moralisierender Rhetorik legitimiert. Fakten werden ignoriert oder verfälscht, Kriegsgründe erfunden. Der pseudomoralische Zweck heiligt die Mittel.

Das so generierte monströse Feindbild wird flankiert durch Korpsgeist, Sendungsbe-wusstsein und Überlegenheitsgefühl. Soldaten und Bevölkerung sollen von der Alter-nativlosigkeit des Krieges überzeugt sein und moralische Geschlossenheit als mentale Voraussetzung für die Kriegführungsfähigkeit entwickeln. Nur so sind die erwarteten individuellen Opfer zu rechtfertigen und nur auf dieser Grundlage sind im Kriegsfall Grundfunktionen staatlicher Ordnung aufrecht zu erhalten.

  1. Handlungsfeld: Konditionierung der Soldaten

Neben der politischen Orientierung der Gesellschaft auf einen Krieg kommt vor allem der psychologischen Kriegsvorbereitung der Soldaten Bedeutung zu. Sie müssen nicht nur die politischen Ziele des Staates als Legitimationshintergrund für ihren Einsatz akzeptieren, sondern auch bereit sein, das individuelle Verletzungs- und Todesrisiko einzugehen und sich in Extremsituationen zu behaupten. Der Ge-fechtswert der Truppen ist jedoch nicht nur davon oder von der Qualität der Bewaffnung und Ausrüstung abhängig. Vielmehr geht es um die Stabilität der Einheiten im Einsatz und die Sicherung der Führung. Die Militärsoziologie und die Militärpsychologie befassen sich seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts mit der Fragestellung, wie in ihrer Zusammensetzung fremdbestimmte formale Gruppen zu erfolgreichem Agieren unter schwersten Bedingungen befähigt werden können. Aus einer Vielzahl empirischer Untersuchungen in Streitkräften politisch ganz unter-schiedlich verfasster Staaten ist bekannt, welch überragende Bedeutung der kleinen, formal strukturierten, aber informell vernetzten (Primär-)Gruppe und der Qualität sozialer Beziehungen in einer hierarchischen Organisation zukommt (Oetting, 1988: 78ff). Weit unterhalb der Ebene politischer Legitimation und der zu diesem Zweck durch die Politik immer wieder gerne beschworenen ideellen Zielsetzungen gewinnt der einzelne Soldat seine Handlungsantriebe primär im unmittelbaren sozialen Umfeld – in der kleinen Gruppe. „Im Schoße der ‚kleinen Gruppe’ baut der Soldat sein affektives Bezugssystem auf. In dieser kleinen Welt, deren Gesetze er selbst geschaffen hat, fühlt er sich geborgen. …Die Loyalität zur ‚kleinen Gruppe’ überragt die Loyalitätsgefühle zur Organisation und zum Land.“ (Bigler, 1963: 51) Die vitalen Interessen jedes Gruppenmitgliedes bestehen unter anderem darin, unter keinen Umständen aus der Gruppe ausgestoßen zu werden und den anderen Gruppen-mitgliedern seine Nützlichkeit zu beweisen. Dinter kommt zu dem Schluss, dass es „…dem gut integrierten Gruppenmitglied viel eher als dem auf sich allein gestellten Individuum gelingt – nicht nur zu kämpfen, sondern sich sogar aufopferungsvoll zu schlagen.“ (Dinter, 1983: 264). Ziel der militärischen Führung bei der Vorbereitung von Soldaten auf einen Krieg ist es, zwischen formalen und informellen Gruppen eine Teilkongruenz zu schaffen, die die Integration des einzelnen in die Gruppe zuverlässig gewährleistet und zu einem stark ausgeprägten Wir-Gefühl der Gruppenmitglieder führt (Oetting, 1988: 81). Voraussetzung für das Wirken der formalen/informellen Gruppe im Sinne der militärischen Struktur ist allerdings die weitgehende Konformität der Gruppenziele mit denen der Organisation. Kann im Führungsprozess die weitgehende Konformität von Gruppen- und Organisations-zielen nicht (mehr) aufrechterhalten werden, verselbständigen sich die Primär-gruppen und werden unführbar (Oetting, 1988: 92). Führung bedeutet in diesem Kontext, gruppendynamische Prozesse mit den Zielen der Organisation in Übereinstimmung zu bringen. (Oetting, 1988: 94).

Literatur:

Altrichter, F.: Das Wesen der soldatischen Erziehung, Oldenburg/Berlin 1933
Belec, T.: Motivation und Gefechtswert, In: Österreichs Bundesheer, Truppendienst 1/2006, www.bmlv.gv.at/truppendienst
Bigler, R. R.: Der einsame Soldat – Eine soziologische Deutung der militärischen Organisation, Frauenfeld 1963
Bürklin, W./Rebenstorf, H.: Eliten in Deutschland, Opladen 1997
Dinter, E.: Die körperlichen und seelischen Belastungen des Soldaten im Kriege
In: Truppenpraxis 4/83, S. 216ff
Dreitzel, H. P.: Elitebegriff und Sozialstruktur, Stuttgart 1962
Herzberg, F.: Work and the Nature of Man, New York 1966
König, R. (Hrsg.): Beiträge zur Militärsoziologie, Köln und Opladen, 1968
Krieger, H. H.: Entwicklung und Ergebnisse der Führungspsychologie
In: Truppenpraxis 4/83, S. 249ff
Leonhard, N./Werkner, I.-J.: Militärsoziologie – Eine Einführung, Wiesbaden 2005
Mackewitsch, R.: Der Vorgesetzte im Einsatz, SOWI-Arbeitspapier Nr. 130,
Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr, Strausberg 2001
Marshall, S. L. A.: Soldaten im Feuer – Gedanken zur Gefechtsführung im nächsten Krieg, Frauenfeld 1951
Maslow, A. H.: Motivation and Personality, New York 1970
Meyer, P.: Kriegs- und Militärsoziologie, München 1977
Mosen, W.: Eine Militärsoziologie –Technische Entwicklung und Autoritätsprobleme in modernen Armeen, Neuwied und Berlin, 1967
Otto, W.: Führungsverständnis im Heer, In: Strategie und Technik, 01/2007, S. 12ff
Oetting, D. W.: Motivation und Gefechtswert, Frankfurt a. M./Bonn, 1988
Schössler, D.: Der organisierte Soldat – Berufsproblematik und Interessenartikulation des Soldaten in der entfalteten Industriegesellschaft, Bonn 1968
Sprenger, R. K.: Aufstand des Individuums. Warum wir Führung komplett neu denken müssen. Frankfurt/New York 2001
Stouffer, S. A.: The american soldier, Princeton 1949
Wullich, P. E.: Kampfmoral und Technik im Falklandkonflikt
In: Soldat und Technik 5/83, S. 262ff

von Redaktion

Geistige und logistische Aufrüstung

Geistige und logistische Aufrüstung

Es gehört mittlerweile zum Ritual westlicher Außen- und Sicherheitspolitiker, die Notwendigkeit des Dialogs mit Russland trotz aller aktuellen Spannungen zu betonen. Nur müsse Russland dafür die Voraussetzungen schaffen, indem es seine „expansive“ Politik beendet. Und in der Regel folgt dann das Sündenregister: Die „Annexion“ der Krim, die Unterstützung für die ostukrainischen Volksrepubliken, die angeblichen Vorbereitungen eines hybriden Krieges gegen die baltischen Staaten und Polen. Und auch das russische militärische Engagement in Syrien sorgt bei westlichen Politikern regelmäßig für demonstrative Empörung. Es ist das gebetsmühlenartig über alle Medien verbreitete Argumentationsmuster: Russland ist aggressiv, Präsident Putin will „den Westen“ destabilisieren, nur die NATO ist in der Lage, durch Abschreckung dem russischen Expansionsdrang Einhalt zu gebieten. Dieser kommunikationspolitische Ansatz erweist sich als durchaus praktikabel, was aber nichts daran ändert, dass er auf dem Verschweigen von Fakten beruht. Dass sich die NATO – entgegen früheren Zusagen – nach Osteuropa bis an Russlands Grenzen ausgedehnt hat, wird ebenso verschwiegen wie die Tatsache, dass vor allem US-Politiker bereits im Jahr 2008 den damaligen georgischen Präsidenten ermunterten, einen Krieg gegen Russland vom Zaun zu brechen. Auch dass der Staatsstreich in der Ukraine mit fünf Milliarden US-Dollar vorbereitet wurde, um das Land zum potentiellen Aufmarschgebiet gegen Russland machen zu können, kommt in der derzeitigen Medienberichterstattung nicht vor. Die historischen Hintergründe für die Sezession der Krim spielen für die Befürworter einer harten politischen Gangart gegen Russland ebenfalls keine Rolle.

Die aufgeregte Rhetorik hat einen guten Grund: Ohne von der Bevölkerung akzeptiertes Feindbild und ohne ein latentes Bedrohungsgefühl ist die Aufrüstung der NATO und insbesondere der Bundeswehr nicht zu begründen. Und so sprechen auch Entscheidungsträger der Bundeswehr mittlerweile ganz offen über einen möglichen Krieg in Osteuropa, auf den sich die Truppe vorbereiten müsse. Generalleutnant Bernd Schütt etwa, Abteilungsleiter Strategie und Einsatz im Bundesministerium der Verteidigung, erklärt: „Landesverteidigung ist unverändert immer im Rahmen des NATO-Bündnisses zu denken. Neu für uns ist, dass wir in einem solchen Fall kein direkter ‚Frontstaat‘ mehr sein werden. Vielmehr wird die Bundesrepublik Deutschland einerseits eigene Truppen zur Verteidigung an die Bündnisgrenzen zu entsenden haben und andererseits im Herzen Europas als logistische Drehscheibe des Bündnisses agieren müssen.“/1/

Und die NATO bereitet sich unter aktiver Beteiligung der Bundeswehr auf den Kriegsfall in Osteuropa vor. Von Februar bis Mai 2020 findet die Truppenübung „Defender Europe 20“ statt. 20.00 US-Soldaten, eine komplette US-Kampfdivision, werden aus den USA nach Europa verlegt. 14 Flughäfen und Seehäfen in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Deutschland sind für die Entladung von Personal und Material vorgesehen. Von dort geht es dann in langen Konvois Richtung Polen und Baltikum. Insgesamt 37.000 Mann mit Kampftechnik werden unterwegs sein, davon 26.000 US-Soldaten. 4.000 Km Schienen und Straßen in das Aufmarschgebiet werden genutzt. Die Bundeswehr (Streitkräftebasis) übernimmt die logistische Sicherstellung. /2/ Es ist ein Szenario, das an die Zeit des Kalten Krieges erinnert.

Auch hinsichtlich der sonstigen materiellen Kriegsvorbereitung geht es erkennbar voran. Wichtige Weichenstellungen für die Beschaffung von Kampfpanzern, Schützenpanzern und sonstigen Waffensystemen wurden im Jahr 2019 vorgenommen. So will die Bundeswehr in zehn Jahren 328 Kampfpanzer Leopard 2 in einem Krieg einsetzen können. Der Gegner ist Russland. Die Zeitschrift Loyal liefert in ihrer Dezemberausgabe das gängige Rechtfertigungsmuster: „Seit Russlands Präsident Putin im März 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektierte, plant die NATO wieder für den Bündnisfall. Auch Deutschland sieht sich in der Pflicht und will bis 2032 drei voll ausgestattete Heeresdivisionen aufstellen, die den baltischen Bündnispartnern gegen die Russen beistehen könnten. Das wären zehntausende deutsche Soldaten, die einem Gegner gegenüberstünden, der etwa gleich ausgerüstet ist: mit Panzern, Raketen, Artillerie, Minensperren.“ /3/

Und in einer Pressemitteilung des Bundesministeriums der Verteidigung findet sich die Kernaussage: „Die Bundeswehr wächst weiter“. So werden acht Material- und Munitionslager erhalten, die nach früheren Planungen aufgegeben werden sollten. Zwölf Liegenschaften/Kasernen, von denen sich die Bundeswehr trennen wollte, werden vorerst im Bestand bleiben. Vorgesehen ist außerdem die Aufstellung eines „Kommandos Hubschrauber“ in Bückeburg, die Stationierung von fünf neuen Korvetten in Rostock und des Unterstützungsgeschwaders in Kiel für Einsätze im Operationsraum Ostsee. In Burg wird der Stab des neu aufgestellten Logistikregi-ments 1 seine Arbeit aufnehmen. Zugeordnet werden die Logistikbataillone 161 und 163 (Delmenhorst) sowie die Logistikbataillone 171 (Burg) und 172 (Beelitz). Das Regiment ist für die Absicherung der NATO-Transporte vorgesehen und soll seine volle Einsatzfähigkeit im Jahr 2023 erreichen. In der Strausberger Barnim-Kaserne erfolgt die Aufstellung des teilaktiven ABC-Abwehrregiments 1, das die „Erhöhung der ABC-Abwehrfähigkeit“ in Ostdeutschland gewährleisten soll. Erste Teile des Aufstellungsstabes werden 2020 in Strausberg stationiert, die volle Einsatzfähigkeit ist für 2027 vorgesehen. /4/

Die Luftwaffe hat derweil den Eurofighter als mehrrollenfähiges Waffensystem modifiziert. Die Maschine kann nun sowohl als Abfangjäger als auch als Jagdbomber zum Einsatz kommen. Möglich wurde das durch Integration der gelenkten Abwurf-munition GBU-48 (Guided Bomb Unit 48). Es ist eine Präzisionsbombe für die Bekämpfung von Bodenzielen – und damit auch für die Unterstützung von Bodentruppen. /5/

Wie weit die Überlegungen über einen möglichen Krieg gegen Russland bereits gediehen sind und wie intensiv versucht wird, die Bundeswehrsoldaten mental auf einen solchen Waffengang vorzubereiten, zeigt ein Bericht der Zeitschrift Loyal.

Das Magazin beruft sich auf Generalarzt Dr. Bruno Most, Stellvertretender Kommandeur im Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung in Weißenfels. Dieser rechnet in einem zukünftigen Krieg gegen russische Streitkräfte mit einer Ausfallquote von vier Prozent Toten und Verwundeten pro Brigade und Tag. Das sind keine unverbindlichen Gedankenspiele, sondern Teil einer möglichen Einsatz-planung. „Die drei Divisionen des Heeres sollen in zwölf Jahren aus acht bis neun Kampfbrigaden bestehen. Einer Brigade wiederum gehören im Schnitt 5.000 Soldaten an. Wenn nur die Hälfte der Brigaden an der Front im Osten eingesetzt würde, wären das 22.500 Soldaten: Panzertruppen, Grenadiere, Fallschirmjäger, Aufklärer, Pioniere, Artilleristen. Vier Prozent von 22.500 Soldaten ergibt 900. ...In einem Krieg wäre mit 900 gefallenen und verwundeten Soldaten zu rechnen. An einem Tag.“ /6/

Die Rechnung hat nur einen entscheidenden Denkfehler: Sie unterstellt, dass ein solcher Krieg hinsichtlich des eingesetzten Waffenspektrums und seiner territorialen Ausdehnung begrenzbar wäre, dass also die russischen Streitkräfte in einem solchen Konflikt der Regie der NATO folgen würden. Für diese Annahme gibt es allerdings keinen belastbaren Beleg. Diese Vorstellung von NATO-Strategen war übrigens bereits in den 80er Jahren völlig realitätsfern (Strategie der flexiblen Reaktion). Dass man sich nun in NATO-Stäben wieder auf die damaligen strategischen und operativ-taktischen Konzepte besinnt, macht sie nicht realitätsbezogener. Ein Krieg an Russlands Grenzen würde sich kaum auf konventionelle Waffen beschränken lassen und wenn er ausgebrochen wäre, würde auch das Territorium der Bundesrepublik zum Zielgebiet gegnerischer Raketenschläge und zum Schlachtfeld werden – allein wegen dessen Bedeutung für die NATO-Logistik. Zu empfehlen ist ein Blick in die aktuell gültige russische Militärdoktrin. Diese Lektüre wäre sicher auch für manchen Journalisten hilfreich, der mit leichter Feder über einen neuen Krieg im Osten fabuliert. Die Unterschätzung des potentiellen Gegners ist genauso gefährlich wie Wunschdenken hinsichtlich der eigenen militärischen Fähigkeiten. Und es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass NVA-Planer in der Zeit des Kalten Krieges für die ersten zwei bis drei Kriegstage mit Ausfallquoten von etwa 30 Prozent bei den Kampfdivisionen der ersten strategischen Staffel rechneten. Diese Annahmen dürften auch für einen Krieg der NATO gegen Russland gelten, denn es wäre von russischer Seite ein Krieg, der existenzgefährdend für den russischen Staat ist. Daran würden sich die Intensität der Kampfhandlungen und das zum Einsatz kommende Waffen-spektrum orientieren. Wer also glaubt, dass die Bundesrepublik Deutschland im Kriegsfall „kein Frontstaat“ wäre und sich der Krieg mit allen seinen Folgen weit im Osten abspielen würde, unterliegt entweder einem großen strategischen Irrtum oder redet sich und anderen bewusst die damit verbundenen Gefahren klein. Schon der chinesische Stratege und Militärtheoretiker Ssund-ds’ mahnte: „...kennst du den Gegner und kennst du dich, so magst du hundert Schlachten schlagen, ohne eine Gefahr zu fürchten; kennst du ihn, aber nicht dich selbst, so wirst du einmal siegen und ein anderes Mal eine Niederlage erleiden; kennst du weder dich noch ihn, so wirst du in jeder Schlacht geschlagen werden.“ /7/

 

Redaktion

 

Literatur

/1/ Die Bundeswehr 12/19, S. 8

/2/ Die Bundeswehr 12/19, S. 61

/3/ Loyal 12/19, S. 12

/4/ Pressemitteilung des BMVg, Dezember 2019

/5/ Schnell, G.: Die Luft/Boden-Bewaffnung des Eurofighter. In: CPM Forum für Rüstung, Streitkräfte und Sicherheit 3/2018, S. 22ff

/6/ Loyal 12/19, S. 12

/7/ Ssund-ds´: Traktat über die Kriegskunst. Berlin 1957, S. 64

von Redaktion

NATO-Truppenpräsenz an Russlands Grenzen

Nationale Streitkräfte

                                    aktive Einheiten      paramilitärische Einheiten/

                                                                       Nationalgarde/Reserve

                                               (Mannschaftsstärken)

___________________________________________________________________

Norwegen                 20.000                       140.000 Reserve, 50.000 Heimwehr

 

Estland                      5.700                         26.000 (Reservisten und Hilfskräfte)

 

Lettland                     5.500                         18.000 (Nationalgarde)

 

Litauen                      20.000                       17.000 (Reservisten u. Paramilitärs)

 

Polen                         100.000                     53.000 (geplant für 2019)

 

Rumänien                 70.000

 

Ukraine                      250.000                     85.000 Reserve, 60.000 Nationalgarde

NATO-assoziiert seit 1997/NATO-Ukraine-Charta, Einbindung in begrenzte Militäroperationen (Combined Joint Task Force) auf Beschluss des Nordatlantikrates

 

Friedensstärke:                                471.200 (nur aktive Truppen)

Kriegsstärke:                                  920.200 (alle bewaffneten Kräfte)
 

Multinationale Verbände (ständig präsent)

Enhanced Forward Presence (EFP): 4 Battle-Groups,

Multinational Division North-East-Hauptquartier in Elblag (Polen)

Stab                                                   300

Estland                                              1.200 (Führung: Großbritannien)

Lettland                                             1.200 (Führung: Kanada)

Litauen                                              1.200 (Führung: Deutschland)

Polen                                                 1.200 (Führung: USA)

_______________________________________________________

Gesamt                                             5.100

 

Ukraine/Polen/Litauen:                  ca. 4.500 (LITPOLUKRBRIG, Stab in Lublin, Einheiten bleiben im Bestand der nationalen Streitkräfte)

 

NATO-Mission Baltic Air Policing: 16 Maschinen/160 Mann rotierend, Fliegerhorste Siauliai (Litauen), Ämari (Estland), Malbork (Polen)

 

US-Einheiten (ständig präsent)

Eine Mechanisierte Brigade          3.500 (Operation Altlantik Resolve, ständige Präsenz in verschiedenen osteuropäischen Ländern)

Personal für Einsatz von 60 Transport- und Kampfhubschraubern, stationiert in baltischen Staaten und Polen:    1.800

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präsente NATO-Truppen:                       10.560 (ohne LITPOLUKRBRIG)

 

Damit stehen derzeit an Russlands Grenzen im Norden, Westen und Südwesten insgesamt ca. 480.000 Mann starke aktive Truppen.

 

NATO-Eingreiftruppen (Verlegung im Konfliktfall)

NATO-Response Force (NRF):    40.000 (Land-, Luft-, Seestreitkräfte)

  • Sechs NRF-Logistikstützpunkte in Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Bulgarien (einsatzbereit)
  • Führung durch acht NATO Force Integration Units in Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Bulgarien

 

Im Krisenfall: Ausgliederung der

Very High Readiness Joint Task Force (VJTF): über 10.000 Mann (darunter 5.000 Mann Bodentruppen) innerhalb von 48-72 Stunden laut NATO Readiness Action Plan (RAP) von 2014

 

Geplant: Verlegung einer US-Panzerdivision nach Polen (ca. 17.000 Mann)

 

  • Zusätzlich: Depots für die Ausrüstung von 5.000 US-Soldaten in Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn (einsatzbereit)
  • Ziel der NATO: ab 2020 innerhalb von 30 Tagen 30 Bataillone (ca. 30.000 Mann), 30 Staffeln Kampfflugzeuge und 30 Schiffe nach Osten verlegen zu können)

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Schnell verlegbar wären damit                 ca. 57.000 Mann zusätzliche NATO-Kräfte

 

Im Kriegsfall könnte die NATO kurzfristig knapp eine Million Mann aktivieren (987.760).

 

 

  1. Staffel/Sicherstellung Logistik

Bundeswehr:                        ca. 184.000 aktive Soldaten (Ziel bis 2025: 203.000)

Reservisten:                         ca. 60.000 (Ziel bis 2031)

Ziel bis 2032:                        Drei Heeres-Divisionen mit acht, später zehn Brigaden

                                               143 Kampfjets Eurofighter

                                               15 einsatzbereite Kriegsschiffe

US-Streitkräfte:                    ca. 35.000 (präsent), einzufliegen: ca. 20.000

                                               nach Osten zu verlegen: ca. 37.000

Material:

  • Depot für die Ausrüstung einer US-Panzerbrigade (Podwidz, 80 Km östlich Poznan)
  • Vier weitere Depots in Deutschland (2), Belgien (1) und Niederlanden (1) für Ausrüstung einer US-Panzerdivision (geplant)
  • Vier bereits existierende US-Depots in Deutschland (Niedersachsen, Bayern, Thüringen, Sachsen)
  • 18 Munitionsdepots
  • 17 Materiallager der Bundeswehr

Transportwege:

  • Fünf Rasträume für (alliierte) Militärkonvois (Niedersachsen, Bayern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg)
  • Modernisierung von 250 Häfen, Bahnstrecken, Straßen und Brücken bis 2021 für Militärtransporte Richtung Osten geplant
  • „NATO-Schengen“-Vereinbarung für Sicherstellung zügiger grenzüberschreitender Militärtransporte
  • Sicherung der Priorität von Militärtransporten bei der Bahn

 

von Redaktion

Streitkräfteplanungen

Schon auf ihrem Gipfel in Wales im Jahr 2014 hatte die NATO den Nato Readiness Action Plan (RAP) verabschiedet – angeblich zum Schutz der osteuropäischen und baltischen Länder vor Russland. Kernelement des RAP-Planes ist die Einrichtung der sogenannte Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), auch Speerspitze genannt. Mit dieser Speerspitze können nach Anforderung 20.000 Soldaten, darunter 5.000 Mann Bodentruppen, innerhalb von 48 bis 72 Stunden, aus der NATO Response Force (NRF), der sogenannten NATO-Reaktionsstreitmacht, in die baltischen und osteuropäischen Länder verlegt werden.

Die schon 2002 beschlossene und aufgebaute NATO Response Force (NRF), ist eine Eingreiftruppe der NATO, bestehend aus Land-, Luft-, See- und Spezialkräften, die mit hoher Verfügbarkeit in einem breiten Spektrum möglicher Operationen weltweit eingesetzt werden kann. Im Rahmen der von der NATO in Wales beschlossenen Maßnahmen wurde auch die NRF verstärkt. Bis zu 40.000 Soldaten soll die NRF-Streitmacht umfassen. Zu der Eingreiftruppe gehören auch sechs Logistikstützpunkte, die von der NATO in den drei baltischen Staaten sowie in Polen, Rumänien und Bulgarien einrichtet wurden. Dort werden NATO-Ausrüstung und Munition für im Kriegsfall schnell heranzuführende Verstärkungseinheiten eingelagert. Die Speerspitze VJTF, die aus der NRF gebildet wird, besteht aus einem Landstreitkräftekontingent mit bis zu fünf Bataillonen und zusätzlich aus Einheiten der Luftstreitkräfte, Seestreitkräfte, Spezial- und Unterstützungskräfte. Deutschland stellt bis zu 2.700 Soldaten für die VJTF. Für die Organisation der schnellen Handlungsfähigkeit wurden in Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien Führungs- und Kontrolleinrichtungen, sogenannte NATO Force Integration Units (NFIU), kleine Kommandopunkte, eingerichtet, die nach dem Rotationsprinzip personell besetzt sind.

Auf der NATO-Tagung am 8. und 9. Juli 2016 in Warschau verständigten sich 28 Staats- und Regierungschefs zudem auf die Nato Enhanced Forward Pressence (EFP). Diese Verstärkte Vorwärtspräsenz legt fest, dass jeweils ein multinationales Bataillon (Battle Group) der NATO mit etwa 1.000 Soldaten in Polen, Lettland, Litauen und Estland rotierend stationiert wird. In einem sechsmonatigen Rhythmus werden die durch vier Leitnationen gestellten Kampfverbände abgelöst. Das Rotationsprinzip wurde gewählt, um die Festlegungen in der NATO-Russland-Grundakte zu umgehen. Die Bildung und Verlegung der Bataillone in die vier Länder begann im Februar 2017 und war im August 2017 abgeschlossen. Der NATO-Kampfverband in Polen steht unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika mit Hauptquartier im polnischen Orzysz (ehemals Arys), ca. 60 km von der Grenze zum russischen Kaliningrader Gebiet entfernt. Truppenteile, rotierend aus Polen, Großbritannien und Rumänien, ergänzen den Kampfverband. Das NATO-Bataillon in Estland steht unter Führung Großbritanniens mit dem Hauptquartier in Tapa. Hinzu kommen Truppenteile aus Frankreich und seit 2018 aus Dänemark. Die in Lettland stationierte Battle Group wird durch die kanadischen Streitkräfte geführt. Das Hauptquartier befindet sich in Ädazi. Zu diesem Bataillon gehören auch rotierende Truppenteile aus Albanien, Italien, Polen, Slowenien und Spanien. Der rotierende NATO-Kampfverband in Litauen steht unter Führung der deutschen Bundeswehr mit Hauptquartier in Rukla, nahe der Stadt Kaunas, etwa 150 km vor Kaliningrad. Er wird mit Einheiten aus Belgien, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, den Niederlanden und Norwegen ergänzt. Ergänzend zu den vier Bataillonen in den baltischen Staaten wurde das Multinational Division North-East (MNDNE)-Hauptquartier im polnischen Szczecin eingerichtet. Es fungiert operativer Kommandopunkt für die vier Bataillone. Außerdem laufen in Polen die logistischen Vorbereitungen für die Stationierung einer kompletten US-Kampfdivision.

Zusätzlich zum militärischen Maßnahmepaket der NATO startete der frühere US-Präsident Barack Obama eine bilaterale Initiative, die er am 3. Juni 2014 in Warschau als European Reassurance Initiative (ERI) vorstellte. Mit dieser Initiative wurden eine separate Ausweitung bi- und multinationaler Übungen sowie eine starke militärische Präsenz der US-Armee auf Rotationsbasis in den östlichen NATO-Mitgliedstaaten in Angriff genommen. Hinzu kommen die sogenannte Vorwärtsstationierung von Kampfpanzern und die Einlagerung von Kriegsgerät in US-Depots auf dem Territorium osteuropäischer Länder. Zudem wurden Flugplätze oder Übungsplätze ausgebaut. Und eine größere Zahl von Soldaten der östlichen NATO-Länder soll besser ausgebildet und mittels Übungen durch die US-Armee geschult werden. Diese Operation Atlantic Resolve (OAR) (Atlantische Entschlossenheit) zur Unterstützung und Stärkung der NATO-Alliierten in Europa wird von den USA bilateral vereinbart und realisiert. Im Rahmen der Operation Atlantic Resolve wurde eine komplette US-Kampfbrigade über Bremerhaven, durch Deutschland und Polen an den nördlichen Teil der NATO-Ostgrenze verlegt. Insgesamt handelt es sich dabei um 3.500 Soldaten. Die Einheiten bleiben dauerhaft in Osteuropa, lediglich alle neun Monate findet ein Wechsel der Soldaten statt. Die Truppenrotation startete im Februar 2017 in Polen und im Baltikum, danach erfolgte die Verlegung nach Bulgarien und Rumänien.

Ab Februar 2017 wurden außerdem 60 US-Transport- und Kampfhubschrauber zusammen mit 1.800 Soldaten im Baltikum und Polen stationiert. In den drei baltischen Staaten wurde zusätzlich Logistik für je eine US-Kompanie (etwa jeweils 150 Soldaten) eingelagert. In Polen, Rumänien, Bulgarien und Ungarn wird Militärgerät für jeweils ein US-Bataillon (mit je etwa 750 Soldaten) zusätzlich untergebracht. Insgesamt wird damit Logistik für den Einsatz von weiteren 5.000 US-Soldaten bereitgestellt. Amerikanische Militärspezialisten hatten zuvor in den Stationierungsländern alte Militäranlagen aus der Sowjetzeit begutachtet oder Festlegungen über den Neubau von Lagerhäusern für schweres amerikanisches Kriegsgerät getroffen. Die Kosten sollen die entsprechenden Länder tragen, das trifft auch für die lokale Bewachung zu.

Und die US-Armee zieht Ausrüstung und Nachschub für zusätzliche schwere Kampfverbände auch im Westen Europas zusammen, die in drei zentralen Depots in Deutschland, den Niederlanden und Belgien (Army Prepositioned Stocks - APS) ständig einsatzfähig bereitstehen. Im Kriegsfall muss die US-Armee nur noch die Soldaten einfliegen und könnte somit schnell weitere Einheiten ins Gefecht einführen. Das erinnert an die Praxis aus der Zeit des Kalten Krieges. Es sind zudem wieder Panzer und Artillerie in norwegische Höhlen eingelagert worden, die seit dem Ende des Kalten Kriegs leer standen. Derzeit sind rund 8.000 NATO-Soldaten ständig in den baltischen Staaten und Polen stationiert. Hinzu kommen die sogenannte NATO-Speerspitze mit rund 5.000 Soldaten sowie eine US-Division, die binnen kürzester Zeit eingeflogen werden kann. Dass sind über 33.000 verfügbare NATO-Kräfte, die kurzfristig gegen Russland eingesetzt werden könnten. Nicht mitgerechnet sind dabei die Streitkräfte der ost- und südosteuropäischen NATO-Staaten, die ebenfalls massiv gegen Russland aufrüsten. Außerdem ist die NATO bestrebt, die Streitkräfte Schwedens und Finnlands durch militärische Kooperationsvereinbarungen, Rüstungsprogramme und gemeinsame Manöver de facto in die Strukturen des westlichen Bündnisses einzubinden. Diese Entwicklung erhöht nicht nur die militärische Konfrontation in der Region, sondern auch die Gefahr, dass es aus einem nichtigen Anlass oder Missverständnis zu einer Eskalation kommt, die in einen Krieg münden könnte.

von Redaktion