Wenn die Wahrheit zu schwach ist ....

 

Die EU schickt sich auf Drängen der Vereinigten Staaten von Amerika an, gegen Russland Wirtschaftssanktionen zu verhängen. Denn Russland ist schuldig! Russland muss bestraft werden! Nach dem Absturz der Malaysischen Verkehrsmaschine kann es daran keine Zweifel geben. Zähneknirschend verzichtet man auf lukrative Geschäfte und riskiert, dass der EU-Wirtschaftsraum in eine Rezession abgleitet. Aber will man die USA verärgern?

Zwar schließen die US-Geheimdienste definitiv aus, dass die Maschine von russischem Territorium aus abgeschossen wurde und es gibt auch keine Beweise dafür, dass die Donezker Volksbefreiungsarmee – die sogenannten prorussischen Separatisten – für die Katastrophe verantwortlich sind, aber wen kümmert das schon.

Ob internationale Experten nach der Besichtigung des Transportzuges für die Opfer bestätigen, dass das dabei zur Anwendung gekommene Verfahren internationalen Gepflogenheiten entspricht oder ob entgegen den Spekulationen diverser Journa-listen in London bekannt gegeben wurde, dass die Flugschreiber nicht manipuliert worden sind – das alles ist ohne Bedeutung: Denn Russland ist schuldig!

Die lauten Rufe nach Sanktionen gegen Russland stehen in auffälligem Widerspruch zur aktuellen Medienberichterstattung aus der Ukraine. Flammende Kriegsrhetorik des zurückgetretenen Ministerpräsidenten, Prügelorgien im Kiewer Parlament, ein in Tarnkleidung posierender Präsident und Bilder von der Absturzstelle der Unglücksmaschine – das ist der Kern objektiver Berichterstattung aus einem Land, in dem ein Bürgerkrieg tobt. Während man vor noch nicht allzu langer Zeit den Demonstrationen auf dem Kiewer Maidan-Platz Sondersendungen widmete und den „Aufbruch“ des Landes nach Europa feierte, beschränkt man sich nun auf Symbolik. Hintergründe werden ausgeblendet, Ereignisse tendenziös dargestellt und interpretiert.

Dass der gewählte Präsident Poroschenko den Bürgerkrieg anheizt, indem er erklärt,  man werde für jeden getöteten Soldaten hundert Gegner töten, dass die ukrainische Armee, die das Land angeblich gegen eine Aggression verteidigt, mittlerweile das russische Grenzgebiet mit Granatwerfern und 122 mm-Haubitzen beschießt, dass russische Grenzstationen zerschossen und russische Grenzpatrouillen sowie Reporterteams angegriffen werden, ist den westlichen Kriegsberichterstattern keine Zeile wert.

Auch der völkerrechtswidrige Einsatz von Phosphor-Bomben gegen die Zivilbevölkerung durch die ukrainische Armee führt im Westen zu keinem Aufschrei der Empörung. Denn dann müsste man ja darüber nachdenken, wen man in den Tagen des Maidan medial bejubelt hatte.

Schließlich herrscht Krieg und der folgt eigenen Gesetzen. Und so belegt die ukrainische Armee beim Einfahren von Zügen den Bahnhof von Lugansk und den Busbahnhof mit Artilleriefeuer – zivile Opfer dabei in Kauf nehmend: Kollateralschäden nennen das die US-Berater der ukrainischen Armee. Derweil marodieren ukrainische Diversantentrupps in Lugansk und nach der Besetzung von Slawjansk kam es zu Plünderungen und „Abrechnungen“ mit Unterstützern der Rebellion durch die ukrainische Nationalgarde. Diese paramilitärische Truppe ist allerdings mittler-weile durchaus international aufgestellt: In ihren Reihen finden sich ultrarechte Söldner aus Italien, Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, Polen, Frankreich und Georgien. Darüber berichten die Mainstream-Medien des Westens nicht. Auch nicht darüber, dass derzeit ukrainische Truppen mit einer Stärke von 4.000 Mann in drei Kesseln auf dem Gebiet von Donezk und Lugansk sowie an der russischen Grenze eingeschlossen sind und nur sporadisch auf dem Luftweg versorgt werden können.

Es würde auch ein schlechtes Licht auf die neuen Verbündeten des Westens werfen, wenn bekannt würde, dass die ukrainische Armee zunehmend mit dem Problem der Fahnenflucht konfrontiert ist oder dass Russland einen "humanitären Korridor" für Verwundete und schwer verletzte ukrainische Soldaten im Grenzgebiet eingerichtet hat. Die Verwundeten werden von russischen Medizinern behandelt und danach wieder in die Ukraine entlassen. Und wegen der vom ukrainischen Präsidenten vor dem Hintergrund der Flugzeugkatastrophe durch das Parlament gepeitschten Teilmobilmachung finden Antikriegsdemonstrationen statt. Unter der Losung: „Wir wollen unsere Söhne und Männer nicht in einen Bruderkrieg schicken“, werden Einberufungspunkte, Kasernen sowie Verkehrsknotenpunkte durch ukrainische Frauen stundenweise blockiert. Diese Proteste, die Ausdruck massiver Ängste der Bevölkerung sind, finden in den westlichen Fernsehsendern nicht statt.

Und natürlich sind russische Meldungen über die mögliche Ursache der Flugzeugkatastrophe reine Propaganda: Etwa Informationen aus dem ukrainischen Verteidigungsministerium über eine zur Unglückszeit in der Region nahe der russischen Grenze durchgeführte Luftverteidigungsübung unter Einsatz von BUK-Raketenbatterien, die sofort nach der Katastrophe verlegt wurden und deren Personal verhaftet worden sein soll. Demnach sei einer der ukrainischen Jagdbomber, der im Verlauf der Übung zur Zieldarstellung eingesetzt wurde, der malaysischen Passagiermaschine zur Unglückszeit sehr nahe gekommen. Man habe auf dem Radarbildschirm das militärische Ziel nicht mehr klar von der zivilen Maschine unterscheiden können. Die BUK-Rakete sei versehentlich abgefeuert worden. Sie sei so konfiguriert, dass sie das jeweils größere Ziel ansteuert. Ob diese Version zutrifft, darauf kann unter Umständen die Auswertung der Flugschreiber Hinweise liefern, denn eine so starke Annäherung einer Militärmaschine dürfte den Piloten der Passagiermaschine ebenso aufgefallen sein wie die Erfassung durch das Zielradar des BUK-Komplexes. In diesem Fall stünde die Frage im Raum, warum der ukrainische Jagdbomber dem Verkehrsflieger so nahe gekommen ist.

Doch unabhängig von den konkreten Ergebnissen der Untersuchung: Die Darstellung des Unglücks in den westlichen Medien hat ihren Zweck längst erfüllt: Russland ist schuldig – zumindest, weil es „für die Lage in der Ostukraine verantwortlich ist“.

Nun konnten die Vereinigten Staaten die zögerlichen EU-Partner zu verschärften Sanktionen nötigen, der ukrainische Präsident Poroschenko hatte die Möglichkeit den vermeintlichen Aggressor international an den Pranger zu stellen und den Teilmobilmachungsbeschluss im Parlament durchzusetzen.

Hier stellt sich die Frage, warum die USA die Ukraine zum entscheidenden Spielfeld der geopolitischen Auseinandersetzung mit Russland gemacht haben und sich mit solcher Entschiedenheit positionieren.

Spätestens mit der russischen Verhandlungsintervention im Syrienkonflikt, als Obamas militärische Strafaktion gegen Assad abgeblasen werden musste, dürfte US-Strategen klar geworden sein, dass Russland im Begriff ist, wieder zu einem Faktor der Weltpolitik zu werden, mit dem zu rechnen ist. Russland könnte wieder zum ent-scheidenden Gegengewicht amerikanischer Geopolitik werden und den unbekümmerten Einsatz militärischer Macht zur Durchsetzung amerikanischer Interessen erschweren. Also muss man aus amerikanischer Sicht eine solche Entwicklung im Ansatz abblocken.

Ein Konflikt direkt vor der russischen Grenze bindet die russische Außenpolitik. Er stört die Integration des postsowjetischen Wirtschaftsraumes und erschwert das Verhältnis Russlands zu den anderen Staaten der BRICS-Gruppe (Brasilien, Indien, China, Südafrika). Dadurch und durch die finanzpolitischen Strafaktionen des Westens hofft man das Land wirtschaftlich massiv zu schädigen und indirekt das ehrgeizige Modernisierungsprogramm für die russischen Streitkräfte zu torpedieren. Man will auf Dauer den strategischen Gegner klein halten. Dass diese Operation zur politischen Disziplinierung und wirtschaftlichen Schwächung der EU-Konkurrenz sowie zur Festigung der NATO beiträgt, ist für US-Strategen ein schöner Nebeneffekt. Und mit dem Ende des Konfliktes bleiben eine bankrotte und zerstörte Ukraine, die ohne US-Hilfe nicht lebensfähig ist sowie eine wirtschaftlich ge-schwächte und mit sich selbst beschäftigte Europäische Union. Wichtigstes Ergebnis wäre allerdings ein außenpolitisch isoliertes, innenpolitisch destabilisiertes sowie wirtschaftlich und militärisch geschwächtes Russland.

Dass die russische Führung ein solches Szenario nicht akzeptiert, muss nicht verwundern. Doch natürlich: Diese Sichtweise passt nicht in das von westlichen Massenmedien gepflegte Weltbild. Russland ist schuldig!

von Internetredaktion (Kommentare: 0)

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