Ein schwarzer Tag für US-Soldaten

Die letzte Hochburg der westlichen Koalition in Afghanistan war der Internationale Flughafen Kabul, wo wegen der Evakuierung von Militärpersonal, Ausländern und Afghanen in den letzten Tagen ein komplettes Chaos herrschte.

Die Taliban hatten das US-Militär und seine Verbündeten aufgefordert, den Truppenabzug bis spätestens 31. August abzuschließen. Es wäre ein großer Fehler gewesen, ein begrenztes Kontingent des amerikanischen Militärs mit einigen Verbündeten (Kanada, Großbritannien und sogar Polen waren bereit in Kabul zu bleiben) in Kabul zu belassen.

Der Flughafen in Kabul wurde 1960 von sowjetischen Spezialisten erbaut. Die Amerikaner zerstörten ihn 2001. Mit Hilfe Japans wurde dieser Hauptflughafen Afghanistans 2008 teilweise restauriert. Von dort wurden mehrere Dutzend internationale Flughäfen angeflogen, darunter auch Moskau.

Die Taliban selbst brauchen den Flughafen, zumal sie fast die gesamte Flugzeugflotte der afghanischen Luftwaffe erobert haben, die im Laufe der Jahre mit NATO-Flugzeugen aufgefüllt wurde. Neben Flugzeugen und Hubschraubern erhielten die Taliban eine große Menge Munition und militärisches Gerät mit dem Label „Made in USA“. Im Falle eines bewaffneten Konflikts wären die Amerikaner mit amerikanischen Waffen beschossen worden.

In wenigen Wochen ist das Arsenal der Taliban exponentiell gewachsen. Sie verfügen mittlerweile über mehr als nur Kampfflugzeuge, sondern auch über etwa 40 Panzer T-55 und T-62 sowjetischer Produktion, etwa 640 gepanzerte Fahrzeuge MSFV, 200 Maxx Pro, mehrere tausend Hummer, alles amerikanische Produkte. Bei den Artilleriewaffen sind es etwa 50 sowjetische Raketenwerfer MLRS „Grad“, mehr als 80 sowjetische 122-mm-Haubitzen D-30, mehr als 500 Mörser, sowohl sowjetischer als auch westlicher Produktion. Das Erbe aus den USA ist auch das Raketensystem gegen Panzer, Javelin ATGM, weitere tragbare Raketensysteme, zahlreiche Kleinwaffen, Kommunikations- und Navigationsgeräte, Nachtsichtgeräte und Zielgeräte sowie kleine Drohnen.

Wenn das westliche Kontingent beschließt, in Afghanistan die Operation von 2001 zu wiederholen, wird es auf starken Widerstand der Taliban stoßen. Die Taliban haben jetzt fast die gleichen Waffen und Ausrüstungen wie die Amerikaner.

Als sowjetische Truppen 1989 Afghanistan verließen, hinterließen sie auch ihre militärische Ausrüstung, Waffen und Munition. Der Unterschied bestand nur darin, dass all diese Mittel geordnet der afghanischen Regierungsarmee übergeben wurden. Afghanistan erhielt von der UdSSR 990 Panzerfahrzeuge, mehr als 200 Artilleriegeschütze und Mörser, 1.700 Granatwerfer, fast 15.000 Handfeuerwaffen und vieles mehr, darunter etwa 3.000 Fahrzeuge. Darüber hinaus hat die Sowjetunion am Vorabend des Truppenabzugs eine dreimonatige Versorgung der afghanischen Armee mit Nahrungsmitteln und Material organisiert.

„Als wir Afghanistan verließen, haben wir das in mehreren Etappen systematisch gemacht. Zuerst in den südlichen Provinzen, dann in den nördlichen und bereits am Vorabend des Verlassens von Kabul, im Februar 1989, in Kabul selbst“, sagt der Ex-Kommandeur des sowjetischen Afghanistan-Kontingents, Boris Gromov. „Verbrannte Erde haben wir nicht zurückgelassen. Die Kampfhandlungen wurden auf ein Minimum beschränkt, was letztendlich die Verluste auf beiden Seiten reduzierte. Die afghanische Armee wurde bewaffnet. Wir hinterließen ihr viel Ausrüstung und Munition und ließen ihnen ausgestattete Militärstützpunkte zurück, deren Betten wir sogar mit neuer Bettwäsche bezogen. Es gibt einen großen Unterschied in der Präsenz sowjetischer und amerikanischer Truppen in Afghanistan. Die Vereinigten Staaten brachten ihre Truppen, um dort Bin Laden und die Horden von al-Qaida zu finden und diese zu vernichten. Nur zu diesem Zweck wurden die Truppen der Allianz herangeholt. Die Amerikaner haben ihr Ziel nicht erreicht und sie selbst sind nun auch dieser Meinung. Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht darin, dass wir praktisch im gesamten Territorium Afghanistans unterwegs waren und alle unsere Aktionen selbst durchgeführt haben. Vor allem auf dem Landweg, über den Salang-Pass, wurden Munition, Lebensmittel, Kraft- und Schmierstoffe sowie alles Notwendige nach Afghanistan transportiert. Die Amerikaner und die Alliierten waren auf mehreren Luftwaffenstützpunkten stationiert – Bagram, Kandahar, Dschalalabad, Kunduz, Mazar-i-Sharif und saßen da und schossen herum. Es ist schwer für mich zu sagen, mit wem sie gekämpft haben, aber ihr erstes Ziel war es, in Afghanistan eine Art unsinkbaren Flugzeugträger zu schaffen. Und dafür mussten die Taliban, so könnte man sagen, herhalten. Aber ihre Reaktion betraf die Amerikaner nicht besonders, mit Ausnahme einiger Terroranschläge. Und jetzt sind die USA weg.“

 

Ein Sprecher des katarischen Taliban-Büros, Suheil Shahin, sagte in Sky News: „Wenn die Vereinigten Staaten oder Großbritannien mehr Zeit für die Evakuierung verlangen, lautet die Antwort nein. Oder es wird Konsequenzen geben. Wenn sie beabsichtigen, die Besetzung fortzusetzen, wird es eine Reaktion geben."

Die Diplomaten der USA, Kanadas, Großbritanniens, Deutschlands, Frankreichs, Schwedens und anderer westlicher Länder verstanden diese Position und verlegten zunächst ihre Botschaften und entfernten ihr Personal vollständig aus Afghanistan. Allerdings wurden nicht alle diplomatischen Vertretungen aus Kabul evakuiert. Russland und China blieben in Kabul und fanden eine Sprache für den Dialog mit den Taliban. In den Botschaften von Iran, Irak, Indien bereitet man sich jedoch auf die Evakuierung noch von, Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Turkmenistan, die Türkei, Indonesien, Katar, Pakistan und die Vereinigten Arabischen Emirate verlassen Kabul nicht. Die Türkei führt sogar Verhandlungen mit den Taliban zur Übernahme des Flugplatzes Kabul.

Die Taliban fordern diese Länder nicht auf, Afghanistan zu verlassen, sondern setzen beim Aufbau diplomatischer Beziehungen zu anderen Mächten auf Kooperation und Vermittlung. Ob die USA und die NATO-Staaten auf dieser Liste stehen, ist nicht bekannt. Die Amerikaner wurden nur beharrlich aufgefordert, ihr Militärkontingent schnellstens und komplett aus Afghanistan abzuziehen.

 

(Quelle: Sokirko, V.: Swobodnaja Pressa, 24.08.21, redaktionell bearbeitete Übersetzung)

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