Allianz im Hohen Norden

Allianz im Hohen Norden
Quelle: Collage tvnva, Archiv tvnva

Der NATO erschließen sich in Nordeuropa derzeit erweiterte Bündnisoptionen, die bei der aktuellen militärischen Konfrontation mit Russland strategische Bedeutung haben. Bislang sind zwar nur Norwegen, Dänemark und Island Mitglieder des westlichen Militärpaktes, doch die Zusammenarbeit mit Schweden und Finnland wird zielstrebig ausgebaut. Die Offerten der NATO an diese formal neutralen Staaten sind eindeutig. So erklärte etwa der deutsche General Jörg Vollmer in seiner Eigenschaft als Chef des Allied Joint Force Command während eines Besuches in Schweden, dass die NATO das Land im Verteidigungsfall militärisch unterstützen werde, wenn das gewünscht wird, was in Schwedens Medien mit Beifall bedacht wurde. Und auch Finnland verstärkt den Schulterschluss mit der westlichen Allianz. Das Land realisiert mit US-Unterstützung ein ambitioniertes Rüstungsprogramm. Dafür bringt Finnland, das nur eine Bevölkerung von 5,5 Millionen hat, 734,7 Millionen US-Dollar auf. Der Hauptteil des Geldes ist für die Modernisierung der finnischen Marine bestimmt. Insbesondere geht es um die Lieferung von 112 Antischiffraketen Harpoon RGM-84Q-4 Block II mit einer Reichweite von 248 Kilometern für 622 Millionen US-Dollar. Hinzu kommt der Kauf von 88 schiffgestützten Flugabwehrraketen RIM-162 ESSM für 112,27 Millionen US-Dollar. Begonnen hatte das Programm mit der Zuführung von 63 Jagdbombern F7A-18C/D Hornet und setzte sich mit Marschflugkörpern des Typs M 39 Block-1A (MGM-168) des Systems ATACMS fort. Schon einige Jahre wird an dem Programm Laivue 2020 zur Verjüngung der Kriegsflotte gearbeitet. Dabei ist nicht nur der Austausch der veralteten Schiffe durch modernere vorgesehen, sondern auch die Veränderung der Struktur des Schiffsbestandes. Wichtigster Teil des Programms Laivue 2020 ist der Bau von vier großen Korvetten, die 1,2 Milliarden Euro kosten sollen. Sie werden bis 2027 die Marine verstärken. Die erste Korvette soll 2022 in Dienst gestellt werden. Die Schiffe werden mit den amerikanischen Marschflugkörpern, mit Antischiffraketen und Flugabwehrraketen bestückt. Hauptaufgabe der Korvetten wird nach Ansicht der NATO die Blockierung der russischen Baltischen Flotte im Finnischen Meerbusen sein.

Doch nicht nur die Zusammenarbeit mit der NATO steht im Fokus der nordeuropäischen Staaten. Die Verteidigungsminister Norwegens, Finnlands und Schwedens unterzeichneten im September 2020 eine Absichtserklärung zur Vertiefung der militärischen Zusammenarbeit ihrer Länder. So sollen eine gemeinsame strategische Planungsgruppe geschaffen und nationale Operationspläne für den Kriegsfall koordiniert werden. Seit 2009 existiert bereits die Nordische Verteidigungskooperation (NORDEFCO), der Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark und Island angehören.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Konfrontation der NATO mit Russland erhöhte Schweden das Militärbudget drastisch, führte die Wehrpflicht wieder ein und verstärkte die Zusammenarbeit mit Finnland. Truppen beider Staaten nehmen regelmäßig an NATO-Manövern teil. Zwar gibt es in beiden Ländern noch keine politischen Mehrheiten für einen formalen Beitritt zur NATO, doch das könnte sich ändern. Diese Entwicklungen werden in Moskau aufmerksam verfolgt. Als am 1. Juli 2017 der russische Präsident Wladimir Putin Finnland einen Besuch abstattete, erklärte er, dass zwar ein möglicher NATO-Beitritt Finnlands von Russland respektiert werden würde, aber Konsequenzen mit sich brächte. Russland hatte in der Vergangenheit seine Truppen aus Rücksicht auf Finnlands Neutralität über 800 Kilometer von der gemeinsamen Grenze zurückgezogen. Nach einem NATO-Beitritt werde Russland aber entsprechend reagieren und diesen Schritt rückgängig machen müssen, so Putins Ankündigung. So konzentriert sich Finnland – ähnlich wie Schweden – derzeit noch auf eine militärische Kooperation mit der NATO unterhalb der Schwelle eines formalen Beitritts zur westlichen Militärallianz.

Die NATO-Mitglieder Dänemark und Norwegen orientieren sich hingegen bei ihren Planungen völlig an der NATO. Norwegen würde im Kriegsfall die nationalen militärischen Entscheidungsbefugnisse an die NATO abtreten und stellt seine Infrastruktur bereits aktuell für den Transport und die Einlagerung von US-Militärtechnik sowie für Luftwaffenoperationen zur Verfügung. Am 16. April 2021 wurde von den USA und Norwegen ein Militärabkommen unterzeichnet, in dem den US-Streitkräften das Recht eingeräumt wird, Militäreinrichtungen auf drei norwegischen Flugplätzen und einem Marinestützpunkt zu bauen und diese für den Einsatz der US-Streitkräfte, für militärische Übungen und für die Fahrzeugwartung zu nutzen. Oslo hat zudem seine Militärausgaben seit dem Jahr 2013 um 30 Prozent erhöht. Dass diese Entwicklung zu russischen Gegenmaßnahmen führen wird, ist absehbar. Sicherer wird die Lage in der Region jedenfalls nicht.

 

Quelle:

Wyssuwa, M.: Unsicherheit am Polarkreis. In: Loyal 2/21.S. 23ff

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