Abwehrbereit: russische strategische Raketentruppen

Es ist bekannt, dass die russischen strategischen Raketentruppen in ständiger Gefechtsbereitschaft stehen. Je nach außenpolitischer Situation können einige der ballistischen Raketen aus der ständigen Gefechtsbereitschaft genommen werden. Sie sind jedoch bei Notwendigkeit innerhalb von fünf Minuten wieder startbereit.

Und wenn jetzt der Chef des Generalstabes der Streitkräfte der Russische Föderation, Armeegeneral Walery Gerasimow sagt, dass 95 Prozent der Starteinrichtungen der bodengestützten strategischen Raketen ständig einsatzbereit sind, bedeutet das, dass nur noch der Befehl zum Start gegeben werden muss. Es ist unwahrscheinlich, dass diese aktuelle Entscheidung von Gerasimow ausschließlich mit der Aussage des amerikanischen Senators der Republikanischen Partei, Roger Wicker, zusammenhängt, der vorschlug, dass die USA Atomwaffen gegen Russland einsetzen sollen, wenn sich die Lage im Donbass verschlimmert. Zuvor griffen auch andere amerikanische Politiker zur „Atomdrohung“ und sprachen von einem möglichen Präventivschlag gegen Russland. Wahrscheinlich weiß der Chef des russischen Generalstabes etwas mehr über die Pläne des Pentagons, denn er droht nicht nur mit dem Finger, sondern zeigt die ganze Faust. „Im Großen und Ganzen sichert der Zustand der russischen Nukleartriade die Abschreckung“ sagte er. Gleichzeitig betonte er, dass der Aufbau der russischen Nuklearstreitkräfte strikt im Einklang mit dem Vertrag über Maßnahmen zur weiteren Reduzierung und Begrenzung strategischer Angriffswaffen (START-3) erfolgt. Das heißt, er machte deutlich, dass Russland keinen Krieg will, dessen Folgen zu einem „nuklearen Winter“ für den gesamten Planeten führen könnten. Russland erfüllt seine Verpflichtungen des Vertrages, ist aber bereit, wenn es angegriffen wird, entsprechend zu antworten.

Walery Gerasimow erklärte, dass die Umrüstung auf den Raketenkomplex „Jars“ fortgesetzt und die Einführung des Komplexes „Avangard“ beschleunigt wird. Russland bereitet sich zurzeit auf das Manöver „Gewitter 2021“ vor und eine der Maßnahmen bei dem Manöver wird der Start einer Hyperschall-„Avangard“-Rakete sein.

Jetzt sind bei den strategischen Raketentruppen Russlands noch die ballistischen, Silo-gestützten Raketen „Wojewoda“ (RS-20V oder R-36M) im Einsatz, die nach der NATO-Klassifizierung als SS-18 „Satan“ bekannt sind und als die stärksten Raketen der Welt gelten. Sie werden noch bis 2026 im Dienst bleiben, aber bereits kontinuierlich durch die „Avangard“ ersetzt.

Der strategische Komplex „Avangard“ ist eine interkontinentale ballistische Rakete, die mit dem Gefechtskopf „Yu-71“ ausgestattet ist. Der Gefechtskopf fliegt mit Hyperschallgeschwindigkeit, kann seinen Kurs und seine Höhe verändern und damit jede aktuelle Raketenabwehr überwinden. Die „Avangard“ wird zukünftig auf der Interkontinentalrakete „Sarmat“ (RS-28) installiert. Diese Rakete hat einen unbegrenztem Aktionsradius. Aber vorerst werden die „Avangard“-Gefechtsköpfe auf den Interkontinentalraketen „Stilet“ (UR-100N UTTH) eingesetzt, die dann durch die „Sarmat“-Raketen ersetzt werden. Über die „Avangard“ ist wenig bekannt. Weder ihre Leistung, die Reichweite, das Steuersystem, nicht einmal das genaue Kaliber. Nur die Geschwindigkeit wurde veröffentlicht.

Die „Avangard“, wurde während der Entwicklungsphase als RS-26 „Rubesch“ bezeichnet und sollte eine Weiterentwicklung der RS-24 „Jars“ werden, die die gegnerische Raketenabwehr durchbrechen sollte. „Jars“ ist ein mobiles bodengestütztes strategisches Raketensystem, ein Nachfolger des Systems „Topol“. Bei der „Rubesch“, später „Avangard“, begann man Geld zu sparen, reduzierte das Gewicht von 120 Tonnen auf 80 Tonnen und verringerte auch etwas die Reichweite. Danach wurde die „Avangard“ von einem mobilen in ein Silo-gestütztes System umgewandelt und als letzte Stufe (Gefechtskopf) von ballistischen Raketen ausgelegt. Die Weiterentwicklung der RS-26 „Rubesch“ selbst und auch das Eisenbahn-Raketensystem „Bargusin“ gab man vorübergehend auf, denn alles zusammen war zu teuer. So wurde auf die „Avangard“ gesetzt, da sie für die Verteidigungsfähigkeit des Landes am wichtigsten schien.

Es geht um die Hyperschallgeschwindigkeit, um die Wissenschaftler aus vielen Ländern, allen voran aus den USA, China und Russland, kämpfen. Niemand hat wirklich geglaubt, dass Russland das erste Land mit einer einsatzfähigen Entwicklung auf diesem Gebiet sein wird. Die ersten erfolgreichen Tests des neuen Hyperschall-Raketensystems „Avangard“ zeigen, dass es durch heutige Luft- und Raketenabwehrsysteme eines potenziellen Gegners unverwundbar ist. Und „Avangard“ ist bereits in die Serienproduktion gegangen. Das erste „Avangard“-Regiment in der „Dombrowsky“-Division der strategischen Raketentruppen steht in der Region Orenburg bereits in Gefechtsbereitschaft.

Der grundlegende Unterschied zwischen dem russischen Komplex „Avangard“ und anderen strategischen ballistischen Raketensystemen besteht darin, dass nicht vorhergesagt werden kann, wo sich der Hyperschall-Gefechtskopf im nächsten Moment befinden wird. Damit wird das gesamte amerikanische Raketenab-wehrsystem neutralisiert. Es besteht kein Zweifel, dass die westliche Hysterie um die neue russische „Hochgeschwindigkeitsrakete“ aus der Ohnmacht der USA resultiert, dieser Waffe  nichts entgegen setzten zu können. Die geografische Lage spielt bei der Aufstellung der Komplexe in Russland keine Rolle. Für die strategischen Raketentruppen Russlands ist die Richtung, aus der die Bedrohung kommt egal. Sie denken in strategisch Dimensionen und damit hat der Ort der Stationierung der Komplexe auf dem Territorium Russlands keine besondere Bedeutung.

Aufgrund der sich ändernden Geopolitik und der sich ändernden technischen Eigenschaften von Raketen potentieller Gegner ist Russland gezwungen, überall auf seinem Territorium strategische Raketensysteme in Alarmbereitschaft zu halten. Und wenn Walery Gerasimow jetzt über die fast vollständige Gefechtsbereitschaft  spricht, bezieht er bewusst die „Avangard“ mit ein.

 

(Quelle: Sokirko, V., Swobodnaja Pressa, 10.12.21, redaktionell bearbeitete Übersetzung)

 

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